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Category: Rund um Geschichten

Volkskunde und Aberglaube - Dezember 6, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinSieh mal an, was es alles so gibt! Da es als SF-und Fantasy-Autorin ja nicht verkehrt ist, ab und zu mal etwas für seine Bildung zu tun, habe ich gestern Abend ein wenig in einem Buch über Hexen im volkstümlichen Glauben geschmökert und tatsächlich einiges Neues gelernt.

Nun weiß ich endlich (nicht, dass ich mich das jemals zuvor gefragt hätte), wo das englische Wort „butterfly“ (was ja „Schmetterling“ bedeutet) seinen Ursprung hat. Wörtlich übersetzt würde butterfly ja „Butterfliege“ heißen, was schon ein wenig schräg ist. Tatsächlich geht das Wort auf den englischen Hexenglauben im Mittelalter zurück, wo die Bauern überzeugt waren, böse Hexen würden sich in unterschiedlichster Tiergestalt des Nachts zu den Kühen auf ihrer Weide schleichen, um sich dort an deren Milch gütlich zu tun. Das konnte als (scheinbar harmloser) Schmettterling sogar tagsüber geschehen, manche Hexen hoppelten aber auch als gierige kleine Häschen über die Kuhweide oder pirschten sich in Gestalt eines Igelchens an die unbedarften Milchkühe heran. Einige besonders gewitzte Hexen betraten die Weide gar nicht erst, sondern blieben gleich zu Hause in ihrem Hexenhäuschen sitzen, während sie die Milch der Kühe statt aus deren Eutern aus einem Stuhlbein in ihrer Küche molken (was gewiss ungefährlicher war, als von einem wütenden Bauern mit seiner Mistgabel auf frischer Tat beim Milchklau ertappt zu werden).

Auch der Ausbruch der Pest wurde vielerorts den Hexen zugeschrieben, welche in Gestalt von Spinnen von Haus zu Haus wandern sollten, um die unbescholtenen Menschen zu vergiften. Aus diesem Grund konnte auch eine komplette Hochzeitsgesellschaft beim Anblick einer kleinen Spinne, die vor der Braut und dem Bräutigam über den Boden krabbelte, in einen Zustand akuter Panik geraten, zumal man das Tierchen nicht einmal mit seinem Stiefel zertreten konnte, da man glaubte, dann erst recht Tod und Verderben über sich und seine Familie zu bringen. Ja, das waren schon gefährliche Zeiten damals!

Es macht wirklich Spaß, ab und zu in solchen Büchern zu lesen, und man schlägt damit zwei Fliegen (bzw. Hexen) mit einer Klappe: Man holt sich Inspirationen für seine eigenen Geschichten, und man lernt nebenher auch etwas über den Menschen und die Welt, in der man lebt. Was gibt es Besseres?

Konsequenz vs. Feigheit - November 22, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinVor ein paar Tagen hatte ich eine interessante Diskussion mit einem meiner Probeleser. Anlass war das Staffelfinale von den „100“, das am Mittwoch Abend im Fernsehen lief. Was meinen Probeleser ebenso wie auch mich beeindruckt hat, war die Unerbittlichkeit, mit der die Figuren mit den Konsequenzen ihrer Entscheidungen konfrontiert worden sind. Mord, Tod und moralische Schuld wurden in keinster Weise durch irgendwelche windigen Drehbuchentscheidungen abgemildert, und die Figuren mussten durchgängig mit den Folgen ihrer Taten leben (bis hin zum Massenmord in der letzten Folge der Staffel).

Aus der Sicht eines Autors kann ich eine solche harte Gangart bei der Konzeption von Geschichten nur begrüßen, da ich mich sowohl als Leser als auch als Zuschauer schon öfters über Bücher und Filme geärgert habe, die nicht müde wurden, ihre Protagonisten in dramatische und bedrohliche Situationen zu werfen, aus denen sie eigentlich nur mit äußerster Brutalität und Härte wieder hätten entkommen können – was natürlich deutliche Spuren und Kratzer in der Psyche dieser Figuren hätte hinterlassen müssen, die vielleicht nicht immer dem stromlinienförmigen Massengeschmack entsprochen hätten, aber realistisch und psychologisch glaubwürdig gewesen wären. Stattdessen aber hat der Autor seinen Figuren immer wieder genau die glücklichen Zufälle vor die Füße fallen lassen, die es ihnen ermöglichten, sich psychologisch unversehrt und mit moralisch weißer Weste selbst aus der übelsten Klemme wieder zu befreien.

Eines der krassesten Beispiele in dieser Hinsicht ist für mich der erste „Tribute von Panem“-Film (die Bücher habe ich nicht gelesen), wo sich so gut wie alle Jugendlichen während der „Hunger Games“ bereits in den ersten paar Minuten nach Spielbeginn in skrupellose Killer verwandeln – was ja auch realistisch ist, bedenkt man, dass nur derjenige, der am Ende als Letzter überlebt, frei gelassen wird. Nur der guten Katniss gelingt es auf wundersame Weise, trotz des einen oder anderen Mords moralisch untadelig zu bleiben, da das Drehbuch jede Situation für sie immer wieder so hinbiegt, dass es ja eigentlich „gar kein richtiger Mord“ war (so wie bei den anderen Jugendlichen, die sich barbarisch abschlachten). Das näher auszuführen, würde jetzt leider zu weit führen. Verglichen mit den „100“ wirkt der erste Tribute von Panem-Film durch diese Handlungskonzeption psychologisch enorm scheinheilig auf mich, und ich freue mich über jede Geschichte, bei der der Autor den Mut hat, für die Figuren nicht nur gefährliche Situationen zu erfinden, sondern die Figuren auch entsprechend den Notwendigkeiten dieser Situationen entscheiden und handeln zu lassen – mit allen psychologischen und moralischen Konsequenzen, die damit einhergehen. Oder – um es in den Worten des Autors eines bekannten Schreibratgebers zu sagen: Der größte Feind eines Autors ist die Feigheit. Dem schließe ich mich an.

Vom Buch zur Serie (The Strain) - November 8, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinEs ist immer wieder interessant zu sehen, wie sich Fernsehen und Roman voneinander unterscheiden. Gerade habe ich mir die letzten beiden Folgen der Serie „The Strain“ angeschaut, die noch auf meinem Festplattenreceiver darauf gewartet haben, von mir konsumiert zu werden. Die Vampir-Trilogie von Guillermo Del Toro – der ja bisher lediglich als Regisseur von Filmen wie „Hellboy“ in Aktion getreten ist – hatte ich bereits vor ein paar Jahren gelesen, weil mich die Idee interessiert hatte (ein Vampir-Virus breitet sich über die ganze Welt aus), und so war ich neugierig auf die Fernsehserie, die daraus hervorgegangen ist.

Die Romane hatten mir ja vom Beginn der Trilogie bis zu ihrem Ende immer weniger gefallen, weil sich die Szenen in meinen Augen zunehmend mehr von einer literarischen Erzählung entfernt und einen oberflächlich auf Action getrimmten Drehbuchcharakter angenommen hatten (etwa wenn einer der Helden von einem mit Vampiren besetzten und mit einem MG bestückten Hubschrauber durch die Straßen gehetzt wird und sich mit einem eleganten Salto hinter eine Mauer rettet, während die Kugeln links und rechts in den Asphalt einschlagen). Meine Vermutung, dass sich die Geschichte aus diesem Grund als Fernsehserie besser machen würde, hat sich zumindest in der ersten Staffel bewahrheitet.

Was ich allerdings bemerkenswert fand, war die Entscheidung der Serienmacher, eine der Haupt-Nebenfiguren der Romane (die demente Mutter einer der Protagonistinnen), die es in den Büchern immerhin bis in den dritten Band geschafft hat, bevor sie in einer der Vampir-Molkereien in den Bottich gewandert ist, bereits in der vorletzten Folge der ersten Staffel umzubringen – was gerade mal dem letzten Drittel des ersten Buchs entspricht.

Die etwas verwirrte alte Dame hatte mich bei meiner Lektüre zugegebenermaßen auch ein wenig genervt, da (auch wenn sie natürlich nichts dafür konnte) die Spannung und die dramatischen Komplikationen im Story-Verlauf der Romane immer wieder durch dieselbe Ausgangssituation herbeigeführt wurden – unsere Helden sind für eine Sekunde unaufmerksam, und schon ist die gute Frau ausgebüxt und irrt durch die vampirverseuchten U-Bahn-Tunnel – was wiederum eine actionreiche Rettungsaktion nach sich zieht.

Was mich aus der Sicht eines Autors daran gestört hat, war die Beliebigkeit dieser Szenen – letztlich war es egal, was an Entwicklung gerade davor oder danach passiert oder an welcher Stelle der Geschichte es geschehen ist. Es war immer wieder derselbe deus-ex-machina, der Spannung erzeugen sollte. Dass es für einen pflegenden Angehörigen, dem gerade seine demente Mutter oder sein dementer Vater verlustig gegangen ist, ein Albtraum ist, auf der Suche nach ihnen die Umgebung zu durchforsten, ist ganz klar. In einer Spannungsgeschichte allerdings machen demente Herren und Damen offenbar nicht wirklich eine gute Figur und sind einer stringenten Storyführung eher hinderlich als förderlich.

Ich kann nur vermuten, dass dies auch die Überlegungen der Drehbuch-Autoren der Fernseh-Serie gewesen sind. Wie konsequent und frühzeitig sie die alte Frau aus der Geschichte geworfen haben, finde ich schon bemerkenswert. Dafür ist jetzt eine junge Computer-Hackerin mit im Heldenteam, die es in den Büchern gar nicht gab. Auch über diese Drehbuch-Entscheidung kann man trefflich philosophieren.

Helden mit Stärken und Schwächen - Juli 15, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinGar nicht mal schlecht! Anfang der Woche habe ich mir den Pilotfilm der neuen Superhelden-Mutanten-Serie „Alphas“ auf Pro7MAXX angesehen und war positiv überrascht.

Zum einen ist es schön zu sehen, dass sich die Drehbuch-Schreiber ganz offensichtlich bemühen, die Mutantenkräfte der Hauptfiguren – im Gegensatz zu den wüsten Special-Effects-Orgien der X-Men – biologisch halbwegs plausibel zu gestalten. Inwieweit das etwa bei der Suggestorin gelungen ist, die anderen Menschen mit der Kraft ihres Geistes ihren Willen aufzwingen kann, oder auch bei dem Jungen, der elektromagnetische Wellen wahrnehmen kann, sei dahingestellt. Auf jeden Fall wirken die Fähigkeiten der Protagonisten insgesamt erfreulich bodenständig, zudem – was für mich als Autor noch wichtiger ist – haben die Macher der Serie einen außerordentlich bedeutsamen Aspekt beachtet, der eine Geschichte oft ruiniert, wenn man ihm keine Aufmerksamkeit schenkt.

Alle Mutanten haben aufgrund ihrer besonderen Fähigkeiten eine Schwäche, die sie trotz ihrer überlegenen Kräfte angreifbar und verletzlich macht – der Wellenseher ist ein halber Autist mit eingeschränkter sozialer Kompetenz, der Hulk-Verschnitt, der seine Stresshormone willentlich in die Höhe schießen lassen kann, um dadurch seine Körperkraft zu steigern, läuft Gefahr, neurophysiologisch zu kollabieren, die Synästhetikerin, deren sämtliche Sinneswahrnehmungen extrem verfeinert sind, versinkt völlig in diesem Ozean aus Reizen und nimmt Gefahren in ihrer Außenwelt nicht mehr wahr.

Dieses Prinzip, überlegene Fähigkeiten mit ebenso großen Schwächen zu verbinden, ist der Dreh- und Angelpunkt für jede spannende Geschichte, und sowohl bei „Shaans Bürde“ als auch beim „Gambler-Zyklus“ habe ich eine Menge Zeit darauf verwandt, meine Protagonisten in dieser Hinsicht verletzlich zu machen. Gerade bei Danny, der Hauptfigur aus dem Gambler-Zyklus, war es extrem wichtig, dass ihn seine Mutantenkräfte nicht in einen unmenschlichen Superhelden verwandeln, der jedes Problem, das sich ihm stellt, mit einem gelangweilten Gähnen aus der Welt schafft. Die Demontage seiner überlegenen Fähigkeiten im Lauf der Handlung nimmt deshalb viel Raum im Rahmen der Geschichte ein. Wer den guten Danny und den Gambler-Zyklus noch nicht kennt, kann gern in die Leseprobe zum Gambler-Zyklus hineinschauen.

Verletzliche Superhelden - Mai 26, 2015 by Susanne Gavénis
INI_Logo_kleinGestern Abend habe ich mir den kernigen Wolverine im Fernsehen zu Gemüte geführt, der auf dem „Weg des Kriegers“ im alt ehrwürdigen Japan gewandelt ist. Unabhängig davon, dass ich mich dabei besser unterhalten habe als bei manchen anderen Superhelden-Filmen der letzten Jahre, finde ich es immer wieder witzig, was für gedankliche Verrenkungen sich Drehbuch-Autoren ausdenken müssen, um für eine annähernd unverwundbare – und damit auch unbesiegbare – Figur glaubwürdige Bedrohungen zu inszenieren, die eine halbwegs spannende Geschichte ergeben.
Wenn ein Protagonist wie der gute alte Wolverine selbst so krasse Dinge wie die Feuerwalze eines Atombomben-Abwurfs ganz gut wegsteckt, von Kugeln durchsiebt oder von Schwertern und Pfeilen durchbohrt werden kann, ohne danach mehr als ein „Aua, das tat weh!“ zum Besten zu geben, ist es nicht gerade einfach, die Zuschauer zu fesseln und sie um Wolverines Leben bangen zu lassen. Da muss man als Autor schon mal ein wenig tiefer in die dramaturgische Trickkiste greifen und dem Armen durch ein schräges biomechanisches Tentakelding, das sich an seinen Herzmuskel heftet, die Unverwundbarkeit rauben. Dass Wolverine im finalen Endkampf vom Bösewicht dreisterweise sogar seine stählernen Klauen abgehackt werden (welch Sakrileg!), passt ganz gut ins Bild und unterstreicht das Bemühen der Filmemacher, den Fokus auf eine tatsächliche Bedrohung des Protagonisten zu legen – was für mich auch genau der Grund war, warum ich die Geschichte insgesamt ganz nett fand.
Ich frage mich nur, warum die Erfinder solcher Figuren bei ihrer Konzeption nicht von vornherein kleinere Brötchen backen und sie nicht erst bei einer explodierenden Supernova genau vor ihrer Nase ein leichtes Gefühl von Unwohlsein verspüren lassen. Wenn ich da beispielsweise an Superman alias Clark Kent denke, der von seinen geistigen Schöpfern derart unverwundbar gemacht wurde, dass man schließlich solche hübschen Gimmicks wie grünes und rotes Kryptonit oder das weite Feld der Magie mitsamt allerlei mehr oder weniger eindrucksvoller Hexen und Zauberer einführen musste, um irgendwann auch mal andere Geschichten erzählen zu können als „Superman fällt ein Haus auf den Kopf, macht aber nichts, weil er es gar nicht spürt und währenddessen entspannt das kleine Kätzchen rettet“, dann weiß ich, dass es eine der wichtigsten Aufgaben für einen Autor ist, die Kräfte innerhalb seiner Geschichte gut auszubalancieren. Macht man den Helden zu stark und die Gegenkraft zu schwach, ist es langweilig, und die Leser fiebern nicht mit. Ist der Held dagegen ein kleines Würmchen, das gegen den Planeten fressenden Galaktus antreten muss, ist es schwierig, dem Leser oder Zuschauer plausibel zu machen, warum er am Ende doch gewinnt. Ein kluges Austarieren von Stärken und Schwächen auf beiden Seiten ist das, was am sichersten eine stabile Grundlage für eine spannende Geschichte bildet. So gesehen hat man aus dem Wolverine-Film unter diesen Voraussetzungen eigentlich das Beste gemacht, was möglich war.
Gravity - Mai 22, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinNa so was! Letztens habe ich mir wieder mal einen SF-Film angeschaut, und zwar „Gravity“ mit dem guten alten Schorsch Clooney und Sandra Bullock in den Hauptrollen – bzw. in den beiden EINZIGEN Rollen des gesamten Films. Die ganze Geschichte ist von Anfang bis Ende ein Zwei-Personen-Stück (das über weite Strecken sogar zu einem Ein-Personen-Stück wird) und schildert die Erlebnisse zweier Astronauten in einer Raumstation im Erdorbit, die nach einer Katastrophe zerstört wird.

Den Film hatte mir ein Freund ausgeliehen, und da ich ob seiner begleitenden Worte („Och, der Film ist ziemlich ruhig, viel gesprochen wird auch nicht, und passieren tut auch nicht wirklich viel“) eher skeptisch war und die DVD zwei Monate lang bei mir im Regal liegen hatte, bevor ich mich aufgerafft habe, sie in den DVD-Player zu werfen, war meine Erwartungshaltung zu Beginn nicht unbedingt hoch. Doch manchmal werden die eigenen Vorurteile ziemlich schnell als Vorurteile entlarvt, denn überraschenderweise habe ich mich keine Sekunde lang gelangweilt, obwohl tatsächlich nicht viel passiert. Doch das macht gar nichts, denn der Film ist derart konsequent auf die Darstellung der absolut lebensfeindlichen Umgebung Weltall fokussiert, dass es einfach spannend ist, den Überlebenskampf der beiden Hauptfiguren mitzuverfolgen.

Ich habe nie zuvor einen Film erlebt, in dem versucht wurde, die Folgen von Schwerelosigkeit, Vakuum und Gravitation derart realistisch und mit erzählerischer Wucht darzustellen, sodass man diesen Film getrost allen Science Fiction-Skeptikern empfehlen kann, die bisher um SF einen weiten Bogen gemacht haben, weil sie sich mit dem „Lebensraum Weltall“ niemals ernsthaft beschäftigt haben und Science Fiction-Geschichten immer noch für „Weltraum-Western“ halten, in denen die Helden statt Pistolen eben Laserwummen schwingen und sich ansonsten gegenüber dem Leben auf der guten alten Erde nicht viel geändert hat.

Letztlich ist „Gravity“ gar kein SF-Film, sondern ein „Weltraum“-Film, da es kein einziges Science Fiction-Element in der Handlung gibt. Und zu guter Letzt zeigt dieser Film auch, dass es sehr wohl möglich ist, mit einem Minimum an Figuren und Dialogen eine eindringliche Geschichte zu erzählen, die komplett gegen den Strich moderner Hollywood-Blockbuster gebürstet ist. Von daher eine klare Empfehlung für alle, die beim Filme-Schauen mal Lust auf eine Erfahrung der ganz anderen Art haben.

Verlorene Erde - Mai 1, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinGute Autoren sind doch immer wieder motivierend! Nachdem ich ja letztes Wochenende Orson Scott Cards „Ender“-Verfilmung angeschaut habe, habe ich – trotz meiner leider immer sehr knappen Freizeit – richtig Lust bekommen, mir noch mehr Geschichten des guten Orson zu Gemüte zu führen. Zum Glück hatte ich in meinem Bücherregal noch seinen Zyklus um die „Verlorene Erde“ stehen, den ich seit fast 20 Jahren lesen wollte, das aber bisher immer wieder aufgeschoben habe.

Es ist einfach schön, Romane eines Autors zu lesen, der sein Handwerk so gut versteht wie Card. Vor allem seine Fähigkeit, die Sorgen und Nöte von männlichen Teenagern zu beschreiben, ist für mich immer wieder bemerkenswert. Mit der Psyche von Mädels kommt er zwar auch gut zurecht, aber dieser intuitiv empathische Zugang zum Seelenleben gerade seiner jugendlichen männlichen Protagonisten ist, wie ich finde, schon etwas Besonderes.

Darüber hinaus ist mir wieder einmal aufgefallen, wie hervorragend Card die Dialoge in seinen Büchern gestaltet. Im Grunde ist wirklich jeder Dialog konflikthaft konzipiert – was um so bewundernswerter ist, wenn es sich um Dialoge handelt, wo sich die Figuren eigentlich mögen und doch aufgrund ihrer unterschiedlichen Persönlichkeiten und Bedürfnisse Reibungspunkte zwischen ihnen entstehen. Da die konflikthafte Konzeption von Szenen, Dialogen und der Gesamtgeschichte ja eines der zentralsten Elemente überhaupt beim Schreiben ist, macht es allein aus diesem Grund sehr viel Spaß, Orson Scott Cards Romane zu lesen. Wenn dann noch eine interessante Story hinzukommt – wie es bei Card beinahe selbstverständlich ist – steht dem Lesegenuss nichts mehr im Wege. Von den insgesamt fünf Bänden des Zyklus habe ich mittlerweile drei gelesen, und ich bin sehr gespannt, wie sich die Handlung weiterentwickelt.

Ender’s game - April 26, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinWie schnell doch die Zeit vergeht! Gestern Abend habe ich mir die Verfilmung von Orson Scott Cards Roman „Das große Spiel“ (bzw. „Ender’s Game“) auf DVD angeschaut und staunend festgestellt, dass es bereits über 20 Jahre her ist, dass ich die Geschichte gelesen habe.

Als der Film in die Kinos kam, war ich doch sehr verwundert, warum es ausgerechnet dieser Roman nach all den Jahren plötzlich doch noch auf die Leinwand geschafft hat, da ja gerade bei Science Fiction-Geschichten der Zahn der Zeit oft gnadenlos an der Story nagt und Ideen, die vor zehn oder zwanzig Jahren originell und visionär waren, mit einem Mal altbacken und überholt wirken. Um so mehr hat es mich gefreut, dass „Ender’s Game“ als Film noch immer frisch und modern wirkt und die Geschichte auch nach so langer Zeit nichts an Qualität eingebüßt hat. Die Story um den jungen Ender Wiggin, der als hoch begabter Stratege auf der Militärakademie dazu herangezogen wird, eine potenzielle Alien-Invasion abzuwehren und glaubt, sich mit Videospielen bzw. taktischen Simulationen auf den Kampf vorzubereiten, während er in Wahrheit mit der echten Angriffsflotte der Erde den Heimatplaneten der „Krabbler“ zerstört, ist vor allem im Hinblick auf die moralischen und philosophischen Fragen, die die Handlung aufwirft, heute noch genauso aktuell wie 1986, als der Roman erschien.

Es ist schön, dass der Film sich nicht – wie es durchaus möglich gewesen wäre – auf oberflächliche Effekte und Action verlässt (und damit den Intentionen des Autors Gewalt angetan hätte!), sondern sich eng an den Roman hält und das Thema Genozid und moralische Verantwortung ebenso wie dieser ins Zentrum rückt. Da habe ich doch glatt Lust bekommen, „Das große Spiel“ und seine Nachfolgeromane noch einmal zu lesen (zumal Orson Scott Card ohnehin ein sehr guter SF-Autor ist – trotz seiner bedauerlichen Eigenschaft, manche Geschichten einfach nicht richtig zum Ende kommen lassen zu können und erst aufgrund des Protests seiner enttäuschten Leser noch eine Fortsetzung zu schreiben (bei der er es dann auch nicht hinbekommt, weil er nach eigenem Bekunden gar nicht verstanden hat, warum die Leser denn mit dem letzten Ende überhaupt ein Problem hatten)). Aber ein guter Autor bleibt ein guter Autor, der sich von solchen Kleinigkeiten nicht anfechten lässt!

Extreme Protagonisten - April 23, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinEs ist immer wieder interessant, Romane von Autoren zu lesen, deren Art zu schreiben zum einen völlig unterschiedlich zu meiner eigenen ist, zum anderen aber wiederum so vertraut, dass ich mich von ihrer Sichtweise durchaus inspiriert fühle. So geschehen beim ersten Band des neuen Thomas Covenant-Vierteilers von Stephen Donaldson, der den Auftakt für den mittlerweile dritten Zyklus um den an allem und jedem zweifelnden Leprakranken Covenant bildet, der aus der realen Welt in ein Fantasy-Land verschlagen wird und dort gegen den bitterbösen Lord Foul antreten muss.

Die ersten beiden Zyklen (die bereits vor über 20 Jahren erschienen sind) habe ich damals sehr gemocht, obwohl die extrem dicht an dem Innenleben der Hauptfigur orientierte Darstellung ungewohnt war und mich teilweise auch genervt hat. Gnadenlos zelebriert Donaldson die Selbstzweifel und inneren Konflikte Covenants, füllt mit seinen hin und her wogenden inneren Streitgesprächen hunderte von Seiten und lässt den Leser unerbittlich an seinem Ringen um Realität teilhaben. Dieser starke Fokus auf die Seelenqualen des Protagonisten ist meiner eigenen Sicht auf Geschichten durchaus ähnlich, obwohl Donaldson hierbei deutlich weiter geht, als ich selbst es tun würde. Vorbildlich – und deshalb für jeden Autor mit Gewinn zu lesen – ist aber auf jeden Fall, wie sehr die Handlung der Geschichte von der extremen Persönlichkeit Covenants beeinflusst und getragen wird.

Ein anderer Aspekt von Donaldsons Geschichten, den ich ebenfalls sehr interessant finde, ist seine sehr individuelle Bildersprache. Da sowohl die Figur des Thomas Covenant als auch die Handlung der einzelnen Romane deutlich um den Gegensatz zwischen Krankheit bzw. Leid und Gesundheit auf allen Ebenen konzipiert ist, spiegeln auch die gewählten Sprachbilder diesen Kontrast wider. Formulierungen wie „Unglaube verzerrte sein Gesicht wie Schmerz“, „Ihr Ton klang nach Raserei“, „Er röchelte, als ersticke er an Blut“, „Der Laut durchdrang ihn, als würde er gepfählt“, „Die Mischung aus Angst und Wut in seinem Blick schien ein Blutbad anzukündigen“ oder „Der Arm schmerzte, als wäre das Glied nur noch ein blutiger Stumpf“ (oder, um noch eins draufzusetzen: „Klauen wirbelten an ihm vorüber wie Fragmente des Wahnsinns, kreischten nach seinem Leben“) haben oft eine klare thematische Ausrichtung an dem ganzen Komplex körperliche und/oder seelische Zerrüttung und verleihen den Figuren und der Atmosphäre der Geschichte einen sehr eigenen emotionalen Touch. Auch dieser Einsatz von Metaphern und Sprachbildern ist etwas, das es, wie ich finde, für einen lesenden Autor genauer anzuschauen lohnt.

So ist die Geschichte von dem von Zweifeln zerrissenen Leprakranken Thomas Covenant sicherlich sehr geschmacksabhängig (und ich verstehe jeden, der irgendwann die Lektüre abbricht und gepeinigt ausruft: „Dieser Kerl ist mir echt zu heftig!“), andererseits kann man aber für sein eigenes Schreiben durchaus etwas lernen, wenn man die Art, wie Donaldson seine Geschichten erzählt, bewusst reflektiert. Und ein wenig Reflektieren finde ich immer ganz spannend.

Veränderter Blickwinkel - März 16, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinIch weiß nicht, ob ich mich freuen oder traurig sein soll. Gestern Abend lief im Fernsehen einer meiner Lieblingsfilme meiner Jugend, den ich seit mindestens 25 Jahren nicht mehr gesehen hatte, und zwar „Die Schrecken der Medusa“. Ich war mehr als gespannt, ob sich mein positiver Eindruck von damals bestätigen würde oder ob der Zahn der Zeit unerbittlich auch an diesem Filmjuwel genagt hatte (so wie an dem guten alten „Tauchfahrt des Schreckens“, den ich mal als Acht- oder Neunjährige im Fernsehen gesehen hatte und damals grandios fand. 30 Jahre später wäre ich dagegen vor Entsetzen beinahe von meinem Sofa gekippt, als ich mir den Film erneut zu Gemüte geführt habe – und das nicht, weil er so schön gruselig war).

Den „Schrecken der Medusa“ habe ich immer als einen der besten phantastischen Filme der 70er Jahre empfunden (und für alle, die ihn nicht kennen: Es geht darin um einen Mann, der glaubt, mit der Kraft seiner Gedanken und Wünsche Katastrophen auslösen zu können. Die Geschichte wird zum großen Teil in Rückblenden erzählt, die verschiedene Lebensstationen dieses Mannes von der Kindheit bis zur Gegenwart beleuchten.).

Traurig für mich war, dass der Film auf Tele5 gezeigt wurde und dort in einer Reihe mit solchen erzählerischen Kleinoden wie „Sharknado“ und dem „Angriff der Killertomaten“ stand (was erst mal kein gutes Zeichen war). Gefreut habe ich mich dagegen, als ich feststellen musste, dass die Geschichte um John Morlar (genial besetzt mit Richard Burton) nicht das Geringste an Qualität eingebüßt hatte und ich im Gegenteil heute als Erwachsene ganz andere Aspekte wahrgenommen hatte als damals als Jugendliche.

Auch wenn es niemals offen ausgesprochen wird, hatte ich doch das Gefühl, dass die Geschichte neben der offensichtlichen Handlung noch andere, unterschwellige Ebenen und Aussagen besaß (Stephen King würde jetzt wohl von „Subtexten“ sprechen), über die ich nach dem Ende des Films noch einige Zeit nachgedacht und diskutiert habe. Der ganze Subtext einer umfassenden Gesellschafts- und Zivilisationskritik (auf den sich, denke ich, auch der doppeldeutige Titel bezieht) war mir als Jugendliche so ziemlich komplett entgangen. Wer also den Film ebenfalls kennt, kann mir gerne seine Eindrücke mitteilen. Es ist doch immer wieder schön zu sehen, dass ein Film über weite Strecken völlig ruhig und ohne Action auskommt und – zumindest mich – trotzdem zu fesseln vermag (ganz im Gegensatz zu den meisten modernen Blockbustern, deren Handlung ich bereits zu vergessen beginne, wenn der Abspann über den Bildschirm läuft).

Donald als Lehrmeister - März 8, 2015 by Susanne Gavénis
INI_Logo_klein Es gibt doch nichts, wovon ein Autor nicht lernen könnte! Einer der zentralen Aspekte von Geschichten ist ja der konflikthafte Aufbau der Handlung, wobei sich dieser Konflikt vom Beginn bis zum Schluß immer mehr zuspitzen und am Ende in einen fulminanten Höhepunkt münden sollte. Sehr vieles, was ich um mich herum wahrnehme, klopfe ich aus diesem Grund darauf ab, ob und in welcher Form es einen Konflikt gibt und was ich daraus für meine eigenen Geschichten lernen kann.
Als eine nahezu unerschöpfliche Quelle für eine vorbildliche Eskalation von Konflikten, bei denen sich die Konfliktspirale schneller und schneller dreht, bis es schließlich zur völligen Katastrophe kommt, haben sich dabei überraschenderweise die Geschichten mit dem guten alten Donald Duck erwiesen. Wenn Donald wieder einmal mit seinem Nachbar Zorngiebel (ich liebe diesen Namen!) wegen einer völligen Banalität in Streit gerät und am Ende beide Häuser in rauchenden Trümmern liegen, ist das ein unverwässerter Konflikt in Reinform, der – von der Struktur her – dem Aufbau jedes Spannungsromans in Nichts nachsteht.
Gerade die letzte Geschichte mit Donald und Zorngiebel, die ich gelesen habe, fand ich einfach köstlich. Wenn beide zum Zwecke des Abbaus ihres Aggressionspotenzials zur gleichen Zeit einen Urlaub im Kloster machen und sich – um das Schweigegebot der Mönche nicht zu brechen – schön geräuschlos gegenseitig an die Gurgel gehen, weil sie dem jeweils anderen seinen Erfolg beim Meditieren nicht gönnen, bis sie von den friedliebenden Mönchen hochkant hinausgeworfen werden, ist das sowohl witzig als auch gut konzipiert (ganz zu schweigen von den vielen Geschichten, in denen Donald am Ende – von einem aufgebrachten Mob gejagt – wieder einmal nach Timbuktu flüchten muss). Jedem, der etwas über die Konfliktdynamik eines schnell eskalierenden heißen Konflikts lernen möchte, kann ich deshalb Donald Duck nur wärmstens empfehlen!
Junge Helden - März 5, 2015 by Susanne Gavénis
 INI_Logo_kleinSeufz! Langsam merke ich, dass der Zahn der Zeit auch an mir zu nagen beginnt. Das fällt mir immer dann besonders auf, wenn sich meine Wahrnehmung auf die Dinge in meinem Leben mit einem Mal verändert hat und meine Bewertungen von Menschen und Ereignissen plötzlich andere sind als früher. Momentan geht mir das bei vielen Filmen und Serien so, die ich im Fernsehen schaue, so z.B. die neue „Flash“-Serie oder auch die Marvel-Comics-inspirierte Serie „Agents of S.H.I.E.L.D..
Helden, die ich früher einfach nur cool fand und bei denen ich insgeheim dachte: „Boah, sind die aber erwachsen!“, würde ich heute viel lieber ein Eis spendieren und sie fragen, ob ihre Mutti auch weiß, was sie da für wilde Sachen treiben. Gerade der „Flash“-Protagonist Barry wirkt auf mich derart jung und so gar nicht erwachsen, dass ich das Gefühl habe, er könnte genauso gut in meinen Bio- und Chemieklassen als einer meiner Schüler vor mir sitzen – was natürlich meiner Identifikation mit ihm zuweilen ein wenig abträglich ist. Das wäre vor 20 Jahren sicherlich kein Problem gewesen.
Relativierend muss ich allerdings sagen, dass ich bei meinen eigenen Romanen nach wie vor am liebsten die etwa 16jährigen Teenies als Protagonisten verwende, weil in dieser Zeit in meinen Augen einfach die interessantesten Konflikte für die Figuren möglich sind. Einerseits sind sie keine Kinder mehr, die von mächtigen Elternfiguren beschützt werden müssen, andererseits stehen sie aber auch noch nicht so fest im Leben wie etwa ein 40jähriger Berufssöldner, dem keine menschlichen Abgründe mehr fremd sind. Das bietet vielfältige Möglichkeiten für innere und äußere Konflikte, die Erwachsene in dieser Form schon lange hinter sich gelassen haben (auch wenn bei denen natürlich andere Arten von Konflikten dazu kommen – zu deren Bewältigung ihnen aber ganz andere lebensgeschichtlich gewachsene Ressourcen zur Verfügung stehen als Teenagern, die vor ein paar Jahren noch mit ihren Playmobil-Figuren gespielt haben).
Auch wenn sich also mein Blick auf die jugendlichen Serienhelden von heute ein wenig gewandelt hat, ist mir diese Art von Figuren immer noch tausend Mal lieber als ein grimmiger Schwarzenegger mit dicken Wummen, der ganz entspannt die Bösewichte im Dutzend niedermäht und danach gemütlich mit seinen Kumpels ein Bierchen schlürft. Solche Protagonisten sind, denke ich, niemals interessant, egal wie alt man wird.
Klassisch konzipiert - Februar 24, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinNachdem ich das letzte Mal so auf dem neuen Roman von Clive Barker herumgehackt habe, möchte ich heute mal ein paar Worte zu einer Geschichte sagen, die mich rundum zufrieden gestimmt und auf eine sehr positive Weise überrascht hat. Die Rede ist von einem meiner Lieblingsbücher der letzten Jahre (eigentlich sind es sogar drei), und zwar von der „Ich bin kein Serienkiller“-Trilogie von Dan Wells.

Hier zeigt sich, dass man auch extreme Figuren auf eine Art beschreiben kann, die bei dem Leser Sympathie und Mitgefühl weckt, wenn nur der innere Konflikt des Protagonisten und sein Ringen damit plausibel genug geschildert werden. Die Hauptfigur, der 16jährige John Cleaver, bemerkt an sich selbst alle alarmierenden Anzeichen einer soziopathischen Persönlichkeitsstörung und versucht mit rigoroser Selbstreflektion und einem unerbittlichen Verhaltensplan, den er zusammen mit seinem Psychotherapeuten aufgestellt hat, diese soziopathischen Impule in Zaum zu halten.

Das gelingt so weit ganz gut, bis in der Kleinstadt, in der er lebt, die ersten Morde beginnen und schnell klar wird, dass ein Serienkiller am Werk ist. Mit seinem besonderen Gespür für diese Art des (gestörten) Denkens gelingt es John tatsächlich, den Täter aufzuspüren, und er versucht auf eigene Faust, ihn aufzuhalten – wobei immer deutlicher wird, dass ihm das nur gelingen kann, wenn er sein eigenes Monster von der Kette lässt (wie er es selbst nennt).

Dieser Balanceakt zwischen dem immer drohenden Sturz in den eigenen soziopathischen Abgrund und dem Festhalten an seinem persönlichen Moral- und Wertekodex macht für mich den Reiz und das Besondere dieser Bücher aus, und es ist bemerkenswert, wie es Dan Wells schafft, Johns Kampf mit seinen inneren Dämonen auf eine Weise darzustellen, dass mir der Protagonist trotz seiner entschieden grenzwertigen Persönlichkeit niemals unsympathisch war. Das liegt sicherlich daran, dass die Figur zu diesen destruktiven Anteilen ihrer Persönlichkeit klar Stellung bezieht und stets versucht, niemandem zu schaden. Einen krasseren inneren Konflikt als hier habe ich tatsächlich noch in keinem einzigen Roman gelesen, und es ist schön, dass der gute John im Laufe der drei Bände eine ganz eindeutige Entwicklung durchläuft und ich das Gefühl habe, dass der Autor sowohl seine Geschichte als auch seine Hauptfigur zu jedem Zeitpunkt vollkommen im Griff hatte.

Für meinen persönlichen Lesegeschmack kommt noch positiv hinzu, dass das Element des Übersinnlichen und Phantastischen in den Romanen zunehmend stärker wird. Die Serienkiller (d.h. der Antagonist aus dem ersten Band und seine Kumpel) entpuppen sich mehr und mehr als Wesen, die Fähigkeiten besitzen, die über das normale menschliche Maß deutlich hinausgehen – was einige Leser, die gewöhnliche Thriller erwartet haben, sehr enttäuscht und verärgert hat, für mich aber das Salz in der Suppe war, da dadurch für die Hauptfigur alles noch viel gefährlicher geworden ist und noch mehr auf dem Spiel stand. Wer also mal – in meinen Augen – richtig gute Geschichten lesen möchte, dem kann ich Dan Wells mit seinem potenziellen Serienkiller-Teenie John Cleaver nur wärmstens empfehlen.

Lesefrust - Februar 22, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinSeufz! Manchmal ist es ein wenig frustrierend, Geschichten zu lesen, die man nicht selbst geschrieben hat. Das eine oder andere Mal kommt es vor, dass mir ein Roman von der Grundidee her sehr gut gefällt, die Figuren sympathisch sind und sich die Handlung für meinen Lesegeschmack in die richtige Richtung entwickelt, und dann – Peng! – wird das Ganze plötzlich zu einer Geschichte, bei der mich das kalte Grausen packt und ich mir wünschte, ich selbst wäre der Autor gewesen.

So geschehen beim aktuellen Buch von Clive Barker (der ja ohnehin schwer einzuordnen ist, da er nach seiner krassen Horror-Kurzgeschichtensammlung „Die Bücher des Blutes“ auch gerne mal Kinderbücher schreibt und sich thematisch offenbar nicht wirklich auf bestimmte Genres festlegen möchte).
Hauptfigur des Romans ist ein kleiner Dämon, der in der Hölle von allen anderen Dämonen gemobbt wird, weil er sich dem ganzen fiesen Gesindel nicht wirklich zugehörig fühlt und zudem noch unter der Grausamkeit seines Vaters leiden muss – ein klassisches Underdog-Szenario, das mir immer gut gefällt, weil es eine Menge Entwicklungsmöglichkeiten für den Protagonisten gestattet. Besagter Dämon flieht irgendwann vor einem besonders brutalen Angriff seines Vaters in die Menschenwelt (das mittelalterliche Europa), nur um zu erkennen, dass alle Menschen Angst vor ihm haben und er unter den Menschen genauso ein Ausgestoßener ist wie in der Hölle (der Konflikt für den Helden verschärft sich also, er wird durch die Ereignisse auf die Probe gestellt).

Bis hierher hat mir die Geschichte gut gefallen, da es im Grunde ein Szenario ist, das meinen eigenen Roman- und Figurenkonzeptionen sehr ähnlich ist. Hätte ich die Geschichte geschrieben, würde es jetzt so weitergehen, dass der kleine Dämon auf Menschen trifft, bei denen er allmählich lernt, sich selbst zu akzeptieren und wertzuschätzen, und am Ende in der Menschenwelt einen Platz für sich findet. Das wäre durchaus konflikthaft und schwierig für den kleinen Kerl geworden, aber seine Entwicklungsrichtung wäre für mich klar gewesen.

Im Buch indes kommt unserem Helden irgendwann die Erleuchtung, dass er zum wahren Dämon werden will, und er tut dies, indem er fortan so gemein und grausam zu allen Menschen ist, wie er nur kann – was auch Mord ohne die geringste Reue mit einschließt. Schließlich wird er von Johannes Gutenbergs magischer Druckerpresse in ein Buch verbannt, in dem er voraussichtlich bis zum Sankt Nimmerleins-Tag auf seine Befreiung warten kann. Ende der Geschichte.

Das ist für mich derart unbefriedigend, dass ich das Buch am liebsten aus dem nächsten Fenster geworfen hätte, und ich habe das Gefühl, dass der Autor eine gute Grundidee und einen interessanten Hauptcharakter völlig gegen die Wand gefahren hat. Nach solchen Geschichten weiß ich immer, warum ich selbst schreibe. Dann kann ich die Geschichte so ausgehen lassen, wie es mir gefällt. Das hat zuweilen seine Vorteile.

Archetypen in Geschichten - Januar 15, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinIn manchen Geschichten scheint doch mehr zu stecken, als es auf den ersten Blick den Anschein hat – zumindest wenn man der Meinung einiger Wissenschaftler Glauben schenkt. Gerade habe ich in einem Buch geschmökert, in dem der Autor die Archetypen-Lehre C.G.Jungs am Beispiel des zweiten Batman-Films „Batmans Rückkehr“ zu veranschaulichen versucht. Demnach zeige sich in Batmans Auseinandersetzung mit Catwoman die polare Komplementarität von Animus und Anima, des männlichen und des weiblichen Archetypus, im Seelenleben eines jeden Menschen, während Oswald Cobblepot alias der Pinguin als Symbol für das misslingende Ringen des Selbst um Individuation interpretiert wird. Der Pinguin, der in den Abwasserkanälen Gothams haust (die in dieser Deutung ein Symbol für das grenzenlose und dunkle Unbewusste darstellen, aus dem jeder Mensch im Laufe seiner Entwicklung seine einzigartige Persönlichkeit formen muss), schafft es nicht, sich mit seinem Schatten – dem Archetypus aller abgelehnten und ungeliebten Seelenanteile – zu versöhnen, weshalb sein Versuch, an der Oberfläche Gothams ein eigenes Selbst zu entwickeln, scheitern muss. Der greisenhafte, deformierte und unentwickelte Kind-Archetypus Cobblepots kehrt am Ende des Films als Leiche – aufgebahrt und getragen von seiner Pinguinarmee – in die finsteren Wasser der Kanalisation zurück, denen er doch niemals wirklich entronnen war.
Die gleiche misslingende Integration des eigenen Schattens sieht der Autor auch in den Figuren von Batman und Catwoman, die beide nicht in der Lage sind, ihre auseinanderklaffenden Tag- und Nachtidentitäten zu vollständigen Persönlichkeiten zu verschmelzen, sondern in ihren jeweiligen abgespaltenen Traumatisierungen gefangen bleiben. Der Autor bringt noch andere Archetypen C.G.Jungs, z.B. die Mutter und Gott höchstselbst, mit den Figuren und der Handlung des Films in Verbindung, was auszuführen hier leider zu weit führen würde. Auch wenn ich durch meinen früheren Deutschunterricht in der Schule selbst nachhaltig traumatisiert worden bin (die Interpretation meines Deutschlehrers von „Homo Faber“ wird mir auf ewig unvergessen bleiben), finde ich eine solche Sicht auf scheinbar schlichte Geschichten dennoch erfrischend und originell – solange man es mit dem Interpretieren nicht übertreibt. Wie sagte doch mal ein Autor so schön? „Ich wusste gar nicht, wie klug ich bin, bis ich die Rezensionen meiner Romane gelesen habe.“ Da ist viel Wahres dran.

Horror der ganz eigenen Art - Oktober 21, 2014 by Susanne Gavénis
 INI_Logo_kleinNa, das war ja mal eine Erfahrung der etwas bizarreren Art! Gestern habe ich in einer Anthologie eine Kurzgeschichte gelesen, bei der ich mich am Ende mehr als nur ein wenig verkohlt gefühlt habe. Der Protagonist macht in einem Restaurant die Bekanntschaft eines Mannes, der ihm unaufgefordert seine banale Lebensgeschichte erzählt. Diese Lebensgeschichte dreht sich darum, wie dieser Mann seine kostbare Lebenszeit mit einer Frau verplempert, die ihn dann absägt und mit dem Gefühl zurücklässt, zwei Jahre seines Lebens vergeudet zu haben. Während des Gesprächs im Restaurant geht der Kerl dem Protagonisten zunehmend auf den Senkel, dieser will aber trotzdem wissen, wie die Geschichte weitergeht, und kommt am Ende zu dem (wenig überraschenden) Schluss, dass er doch besser hätte gehen sollen, weil die Erzählung einfach zu langweilig war. Draußen vor dem Restaurant hat er dann die tiefe Erleuchtung, dass man genau achtgeben sollte, von wem man sich seine Zeit stehlen lässt, weil das Leben einfach zu kurz ist, um es mit Banalitäten zu verschwenden. Danach geht er schnurstracks in ein anderes Restaurant und fängt an, unaufgefordert einem der Gäste zu erzählen, was er gerade Langweiliges erlebt hat. Ende der Geschichte.
Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass ich, nachdem ich die Lektüre beendet hatte, einem ebensolchen Zeitdieb aufgesessen bin wie die Figuren in der Geschichte und von dem Autor gerade aufs Vortrefflichste vorgeführt wurde. Die ganze Geschichte war offensichtlich angelegt wie ein Spiegel, der sich in einem Spiegel spiegelt, bei dem der Leser zu einem Teil der Spiegelungen wird. Nicht schlecht gemacht, da ich aber ohnehin ein Mensch bin, der sich genau überlegen muss, was er mit seiner knappen Zeit anfängt, hätte ich eine solche Belehrung nicht gebraucht. Das Einzige, was ich aus dieser Geschichte mitgenommen habe, ist die Erfahrung, dass ich ebenfalls eine Stunde meiner Lebenszeit verplempert habe, indem ich mich gezwungen habe, die Geschichte bis zum Ende zu lesen, weil ich wissen wollte, wie es weitergeht. Super!
Zeitgeist in Geschichten - September 24, 2014 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinUnd schon wieder habe ich mir eine Kurzgeschichten-Anthologie auf meinen Ebook-Reader heruntergeladen. Diesmal ist es eine Sammlung von unheimlichen Geschichten von Robert E. Howard, dem Erfinder des guten alten Conan. Interessanterweise hat Howard noch eine Menge mehr zu bieten als barbarische Schwertkämpfe (was ich bisher – ich muss es zugeben – eigentlich nicht gedacht habe) und sich in der Horrorliteratur-Szene zur Zeit H.P.Lovecrafts durchaus einen Namen gemacht. Allerdings geht es in seinen Gruselgeschichten gerne auch mal etwas rustikaler zur Sache, und der Held benutzt zur Bekämpfung des Bösen statt Weihwasser und Kruzifix öfter mal eine .45er oder steigt lieber gleich zu einem zünftigen Ringkampf mit Werwölfen oder dämonischen Troglodyten in die Arena. Überhaupt scheint Howard dem metaphysischen Aspekt von Gespenstergeschichten ein wenig abhold zu sein.

Das merkt man besonders an seiner Version des Kleinen Volkes aus den irischen Sagen und Legenden, die bei Howard (was ich schade finde) nicht mehr als die degenerierten Nachkommen primitiver Urzeitbewohner sind, die sich vor Jahrtausenden in finsteren Höhlen verkrochen haben und mittlerweile kaum mehr menschliche Züge besitzen. Da bleibt von der bunten Vielfalt der irischen Mythologie leider nicht mehr viel übrig – was umso bedauerlicher ist, da Howard dieses Konzept gleich in mehreren seiner Geschichten aufgreift. Trotzdem lesen sich diese Geschichten erstaunlich frisch und sind im Vergleich zu denen anderer Autoren aus dieser Zeit (um die 1930er herum) recht wenig angestaubt, wenn auch teilweise politisch nicht mehr wirklich korrekt. Wenn eine seiner Storys in Afrika spielt, kann man getrost davon ausgehen, dass irgendwann ein Aufstand der schwarzen Wilden stattfindet, die von irgendeinem dämonischen Affengott oder sonstigen Unhold gegen die weißen Siedler aufgestachelt worden sind – könnte man sicherlich in dieser Form heutzutage nicht mehr veröffentlichen, wer sich allerdings darauf einlässt und es als einen literarischen Spiegel des damaligen Zeitgeistes akzeptiert, kann trotzdem noch seinen Spaß damit haben.

Susanne Gavénis

Susanne Gavénis

Wenn Sie mehr über mich erfahren möchten, erzähle ich Ihnen gern von meinem Leben, und warum ich schreibe. Natürlich können Sie auch Kontakt mit mir aufnehmen. Vielen Dank.