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Category: Ideen im Dialog

Über Drachenreiter und Drachentöter - Juli 29, 2023 by Susanne Gavénis

So unterschiedlich die Vorlieben und Abneigungen der heutigen Fantasy-Liebhaber auch sind, in einem Punkt sind sich (fast) alle einig: Drachen sind cool! Sie sind sogar so cool, dass vermutlich viele Kinder, nach ihren entsprechenden Wünschen gefragt, lieber einmal auf einem Drachen als auf einem Pony reiten würden. Das ist auch kein Wunder, denn sowohl in der Literatur als auch in der Film- und Fernsehlandschaft haben sich die zumeist jugendlichen Helden, die sich auf dem Rücken ihrer Drachen furchtlos ins nächste Abenteuer stürzen, bereits seit geraumer Zeit einen festen Platz erobert, von dem sie sich sehr wahrscheinlich auch in der Zukunft nicht vertreiben lassen werden. Die Drachen sind, wie es scheint, endgültig zum neuen besten Freund des Menschen avanciert, eine Rolle, die in früheren Fernsehzeiten so süße Tierchen wie Lassie, die heldenhaft kläffende Collie-Hündin, oder Flipper, der aufdringlich schnatternde Delfin, für sich in Anspruch nehmen durften. Doch heutzutage, wo bereits jeder Grundschüler weiß, dass man nur mutig die Hand auszustrecken braucht, um einen Drachen zu zähmen, müssen die tierischen Begleiter der Hauptfiguren in den Büchern, Filmen und Fernsehserien mindestens mit Mach 12 durch die Wolken sausen und mit ihrem Atem den Asphalt zum Schmelzen bringen können, um als ernstzunehmender Gehilfe und Sidekick des Helden in die engere Auswahl zu gelangen.

 

Das aber war nicht immer so. Schaut man sich das Auftreten der Drachen in den Mythologien und Legenden der verschiedenen Völker über die Jahrtausende hinweg an, so wird schnell klar, dass der mediale Kuschelkurs, der in der Beziehung zwischen Menschen und Drachen in der heutigen Zeit vorherrscht, etwas gänzlich Neues ist, auf das die Menschen in früheren Jahrhunderten vermutlich mit ungläubigem Staunen oder sogar einem entschieden missbilligenden Stirnrunzeln reagiert hätten. Denn unabhängig davon, dass die Bedeutung der Drachen im Abendland und im asiatischen Raum von jeher vollkommen unterschiedlich wahrgenommen wurde, waren die Drachen doch eines nie: ein guter Freund und Kumpel, der nachts friedlich auf dem Bettvorleger des Helden schlummert und es anscheinend gar nicht erwarten kann, am nächsten Morgen von diesem wie ein gewöhnlicher Ackergaul angeschirrt zu werden, um gemeinsam ein wenig durch die Gegend zu flattern. Die grimmigen Drachen des europäischen Mittelalters, die nichts lieber taten, als sich wohlig auf ihrem angehäuften Gold und ihren Juwelen zu räkeln und ab und zu eine dralle Jungfrau zu verspeisen, hätten vermutlich nur einmal kurz gelacht, bevor sie den Helden mit einem gelangweilten Happs in ihren Magen befördert hätten, und die Bewohner Chinas, Japans oder Indiens wären sehr wahrscheinlich niemals auf die Idee gekommen, die heiligen Drachen ihrer Mythologien und Legenden, die noch viel mehr als die europäischen eine reine Verkörperung elementarer Urgewalten darstellten, auf eine derart schändliche Weise herabzuwürdigen. Von Beginn an waren die Drachen eine Manifestation des Chaos, die – so wie im Westen – entweder energisch bekämpft und niedergerungen werden musste oder – so wie im Osten – als Ausdruck der Natur selbst angebetet und verehrt wurde. Gerade im asiatischen Raum waren die Drachen oft nicht weniger als Götter oder zumindest Halbgötter, die als unumschränkte Könige in Flüssen oder in den Wolken lebten und mit ihrem Wohlwollen für Regen sorgten oder Überschwemmungen verhinderten, auf jeden Fall aber von den Menschen bei Laune gehalten werden mussten.

 

Das alles ist von Lassie und Flipper denkbar weit entfernt. Andererseits sollten wir es uns aber vielleicht nicht zu einfach mit unserem Urteil machen, immerhin gibt es Autoren, die selbst mediale Helden wie James Bond als fest in der altehrwürdigen Tradition der europäischen Drachentöter des Mittelalters verankert sehen und argumentieren, dass, auch wenn sich die Gestalt vieler heutiger Drachen geändert haben mag und sie heutzutage weniger feuerspeiend und Jungfrauen raubend durch die Gegend ziehen als in Form von größenwahnsinnigen Schurken nach der Weltherrschaft greifen, ihre symbolische Bedeutung noch immer dieselbe ist wie vor tausend Jahren. Nach wie vor geht es um den heroischen Kampf des Menschen gegen Unordnung und Chaos, um den Schutz einer menschlichen Welt, die den zerstörerischen Kräften der Natur unter beispiellosen körperlichen und geistigen Anstrengungen abgetrotzt wurde und immer wieder aufs Neue gegen den Ansturm ihrer Heerscharen verteidigt werden muss. In diesem Sinne erscheint James Bond tatsächlich wie eine in einen makellosen Anzug gesteckte und Martinis schlürfende Inkarnation eines mittelalterlichen Drachentöters, und Dauerbösewicht Blofeld als die des Drachen, der die menschliche Gesellschaft bedroht, weil sie eine Ordnung verkörpert, die ihm aufgrund seines Wesens auf ewig fremd bleiben muss.

 

Auch die beinahe inflationäre Anzahl drachenreitender Protagonisten in der heutigen (westlichen) Medienlandschaft könnte, in diesem Licht betrachtet, durchaus als ein Ausdruck derselben Traditionslinie aufgefasst werden. Ob der beste Freund des Helden nun ein treuherzig blickender Golden Retriever oder ein feuerspeiender Drache ist, ist eigentlich einerlei, denn das Chaos und die Gefahren einer dem Menschen feindlich gesinnten Natur wurden in beiden Fällen auf eine äußerst effektive Weise eliminiert – im Fall des Golden Retrievers durch eine lange und geduldige Züchtung, die aus dem einstigen wilden und gar nicht kuscheligen Wolf ein süßes Wuffilein gemacht hat, im Fall des Drachen durch die Verwandlung einer einstmals kosmischen Elementarkraft in ein besseres Haustier, auf dem man sogar noch reiten bzw. fliegen kann. Allein die schlichte Tatsache des Reitens zeigt ja bereits, dass von einem irgendwie gearteten Zerstörungswillen nicht mehr wirklich die Rede sein kann und von einer Bedrohung der menschlichen Ordnung weit und breit keine Spur mehr zu sehen ist. Im Gegenteil sind viele der heutigen Drachen mittlerweile sogar zu aktiven Protagonisten ebenjener Ordnung geworden, die sie zu früheren Zeiten so vehement bekämpft haben, indem sie in inniger und empathischer Zusammenarbeit mit ihren Reitern dafür Sorge tragen, dass weder Naturkatastrophen noch menschliche oder übernatürliche Finsterlinge das Leben der Menschen in Gefahr bringen können.

 

Eine ähnliche Wandlung haben, nebenbei bemerkt, auch die Vampire durchgemacht, die sich vor ein paar hundert Jahren vermutlich nicht hätten träumen lassen, dass sie einmal mit buntem Glitter bestäubt nach dem Herz eines heillos überforderten Teenager-Mädels schmachten oder in der „Schule der kleinen Vampire“ von ihren Lehrern zum Nachsitzen verdonnert werden würden. Doch die Zeiten haben sich geändert, und mit ihnen auch die Möglichkeiten, seinen Ängsten in einer Welt voller Unsicherheiten und Gefahren die Stirn zu bieten. In ihren Märchen, Mythen und Geschichten haben die Menschen schon immer auf eine kreative Weise nach solchen Möglichkeiten gesucht. In diesem Sinne ist jede dieser Geschichten, gleichgültig, ob es sich dabei um einen Roman, einen Film oder die Folge einer Fernsehserie handelt, wie ein Blick in den Spiegel, der uns zeigt, welche Ausdrucksformen für dieses Grundbedürfnis wir in unserer eigenen Gesellschaft gefunden haben. Was wir entdecken, mag uns widersprüchlich und verwirrend erscheinen, verrät uns aber viel über uns selbst. Dass es neben den modernen „Drachentötern“ wie James Bond auch noch solche dynamischen Duos wie Hicks, den mutigen Wikingerjungen, und seinen Drachen Ohnezahn (!) gibt, die entschieden weniger aufs Töten als auf Empathie und Zusammenarbeit setzen, sollte uns daher eigentlich optimistisch stimmen.

Der lange Abschied - November 22, 2018 by Susanne Gavénis

Nicht nur im Hinblick auf solche Dinge wie die Existenz einer Anderswelt und ihrer Bewohner oder der heftigen Reaktion meiner Hauptfigur Andion auf Eisen habe ich mich eng an die klassischen Geschichten über die Elfen angelehnt. Auch der desolate emotionale und psychische Zustand, in dem sich die Elfen im „Wächter des Elfenhains“ befinden, als Andion die Grenze zwischen den Welten passiert und zum ersten Mal die Anderswelt betritt, findet seine Entsprechung in den irischen und walisischen Feensagen und markiert dort – ebenso wie in meinem Roman – den Endpunkt einer Entwicklung, die sich über mehrere Jahrhunderte erstreckt.

In den Anfängen des irischen Feenglaubens zeigen sich die Elfen noch ganz als die stolzen und verehrungswürdigen Lichtgestalten, als die sie letztlich auch Eingang in solche Geschichten wie den „Herrn der Ringe“ und andere Publikationen gefunden haben, und mehr als alles andere ist es dieses Elfenbild, das die Vorstellung der Fantasyleser in der heutigen Zeit geprägt hat. Es sind Elfen, die oft noch Seite an Seite mit ihren menschlichen Verbündeten gegen die Feinde irdischer Könige oder verschlagene Intriganten aus den Reihen der Elfen selbst gestritten haben, und die irischen, schottischen und walisischen Sagen sind voll von heroischen Bündnissen zwischen mächtigen Elfenprinzen und Königen aus der Menschenwelt.

Auch Vermählungen zwischen diesen Elfenprinzen und sterblichen Prinzessinnen aus den irischen Königs- und Adelsfamilien waren durchaus nichts Ungewöhnliches, und die Grenzen zwischen der Anderswelt der Elfen und der Menschenwelt waren offener und fließender, als sie es zu späteren Zeiten sein sollten. Die Elfen bewegten sich frei unter den Sterblichen, und auch Besuche der Menschen in der Anderswelt waren keine Seltenheit. Doch je mehr die Menschen begannen, das Land zu bebauen und in die Natur um sie herum einzugreifen, desto mehr veränderte sich das Bild, das sie von den Elfen hatten, und angstbesetzte, bedrohlichere Aspekte, die zuvor nur eine kleine und untergeordnete Rolle im Volksglauben gespielt hatten, gewannen mehr und mehr die Oberhand.

Zwar gab es schon zu Beginn der Überlieferungen Elfen, die weniger Interesse daran hatten, den Menschen in ihrem harten Los zur Seite zu stehen, sondern ihr Vergnügen mehr darin fanden, allerlei Schabernack mit ihnen zu treiben (dies betrifft vor allem diejenigen Elfen, die als Naturgeister als Teil der Elemente betrachtet wurden und eher von launenhafterer und unberechenbarerer Wesensart waren, weniger die Elfenaristokratie in ihren Schlössern und magischen Reichen), doch ganz allmählich und über einen Zeitraum, der Jahrhunderte umfasste, rückte das Trennende, weder mit Freundlichkeit noch mit guten Absichten Überbrückbare zwischen den Menschen und den Elfen in den Vordergrund. Plötzlich gab es Gefahren, an die zuvor niemand einen Gedanken verschwendet hätte.

Nun kam es vor, dass arglose Wanderer des Nachts durch Lachen und Gesang in einen Feenhügel gelockt wurden, und wenn sie am nächsten Morgen fröhlich und weinselig ihren Weg fortsetzen wollten, feststellen mussten, dass die wenigen Stunden, die sie im Reich der Elfen verbracht hatten, in der Menschenwelt in Jahrhunderten gemessen worden und alle ihre Lieben schon längst zu Staub zerfallen waren (ein Schicksal, das in mehr als einer volkstümlichen Überlieferung gemeinerweise auch dem Wanderer selbst zuteil wurde, nachdem er schreckensstarr am Grab seines Eheweibes getrauert hatte). Dies ist im Übrigen ein Aspekt irischer Sagen, den ich im „Wächter des Elfenhains“ ignoriert habe, da ein solcher fieser Zeiteffekt die Geschichte gesprengt hätte und für mich als Autorin nicht sinnvoll handhabbar gewesen wäre.

Nun wurden auf einmal Säuglinge des Nachts aus ihren Wiegen entführt und durch alte, boshafte Elfen ersetzt, die die Gestalt des geraubten Kindes annahmen, während der Säugling selbst den in der Anderswelt dahinsiechenden Elfen als lebenskraftspendende Nahrung diente. Gerade die volkstümlichen Erzählungen von elfischem Kindesraub und Wechselbälgern markieren den unübersehbaren Niedergang der Elfen in der Phantasie der Menschen, und wie so oft, wenn Aberglaube oder religiöser Fanatismus im Spiel sind, entwickelten sich auch aus dieser abergläubischen Furcht bizarre Praktiken, die dazu dienen sollten, den Menschen und seinen Lebensraum vor dem böswilligen Eindringen von Wesen aus der Anderswelt zu schützen.

So wurde der angeblich durch einen Wechselbalg ersetzte Säugling beispielsweise auf eine Schaufel gesetzt und über ein Feuer gehalten. Durch die Schmerzen sollte das Feenwesen gezwungen werden, seine wahre Gestalt anzunehmen und das echte Kind wieder herauszurücken. Auch nicht unüblich war es, den Säugling auf einen Misthaufen zu setzen und dort über Stunden allein zu lassen, um den Wechselbalg durch die schlichte Kraft des Gestanks zu vertreiben, oder das Kind in einen Schneehaufen zu werfen. All dies zeigt deutlich den Wandel, den die Vorstellung von den Elfen und der Anderswelt in den Köpfen der Menschen im Lauf der Jahrhunderte vollzogen hat.

Vielleicht konnte es auch gar nicht anders sein. Möglicherweise hat allein das zunehmende Bevölkerungswachstum mit seinem damit einhergehenden größeren Bedürfnis, den eigenen Besitz gegen Übergriffe von außen zu schützen, einen schleichenden Bedeutungswandel im Verständnis der Natur und der darin lebenden (auch magischen) Wesen herbeigeführt. Das Verlangen der Menschen, immer neue und stärkere Grenzen zu ziehen, hat schließlich auch die Anderswelt zuerst in die Unsichtbarkeit und am Ende vollends in die Nichtexistenz gedrängt.

In manchen volkstümlichen Überlieferungen zeigt sich dieses allmähliche Hineindrängen in die Nichtexistenz auf eindrucksvolle Weise darin, dass die einstmals stolzen Elfen, die des Nachts auf ihren weißen Rössern prunkvolle Prozessionen durch die Wälder und Felder Irlands abhielten, von Jahrhundert zu Jahrhundert geschrumpft sind, bis sie irgendwann so klein geworden waren, dass sie nicht mehr auf Pferden, sondern auf Grashüpfern ritten und statt schimmernden goldenen Rüstungen nur noch Rüstungen aus schäbigen Fischschuppen trugen. Und irgendwann waren die heroischen Elfenfürsten der alten Tage dann ganz verschwunden. Da ist es fast ein wenig tröstlich, dass sich die Elfen in der heutigen Fantasy einen festen Platz erobert haben und sich, so steht zu erwarten, von diesem Platz so schnell auch nicht mehr vertreiben lassen. Als Leserin und Autorin freut mich das ungemein. Und wer weiß – vielleicht sehe ich schon morgen eine Prozession menschengroßer, güldener Elfen vor meinem Wohnzimmerfenster vorbeiflanieren. Ich glaube, das würde nicht nur mir gefallen.

Der Klappentext – eine knifflige Angelegenheit - August 19, 2017 by Susanne Gavénis

Der große Moment für einen Autor ist gekommen – er setzt ein dickes Ende unter seine Geschichte. Seine Helden sind mutig in die letzte Schlacht gezogen, haben dem Bösewicht ordentlich in den Hintern getreten (oder – was natürlich auch passieren kann – haben von ihm eine deftige Abreibung bekommen), und nun soll auch der Rest der Welt von ihren Abenteuern erfahren. Mit anderen Worten – der Roman wird veröffentlicht.

Zuvor steht der Autor jedoch vor der heiklen Aufgabe, den potenziellen Lesern seine Geschichte, die er selbst natürlich in- und auswendig kennt, schmackhaft zu machen. Die große Herausforderung ist dabei, durch eine Inhaltsbeschreibung zum einen Neugier beim Leser zu wecken und zum anderen die Handlung so knapp zusammenzufassen, dass der Leser dadurch nicht verwirrt wird.

Würde man versuchen, alle wichtigen Ereignisse der Geschichte in den Klappentext hineinzuquetschen, damit der Leser auch wirklich erkennt, was für einen tollen und spannenden Roman er da in den Händen hält, hätte man vom Umfang her schnell einen neuen Roman geschrieben, und ein derart aufgeblähter Klappentext würde nicht neugierig machen, sondern sehr schnell ermüden. Ein Klappentext darf nicht selbst wieder ein Buch sein, sondern hat nur die Aufgabe, die Wahrnehmung sozusagen wie mit großen Leuchtbuchstaben auf ein Buch bzw. eine Geschichte hinzulenken.

Formuliert man diesen Klappentext andererseits jedoch allzu knapp, besteht die Gefahr, dass die Leser gar nicht begreifen, worum es in der Geschichte überhaupt gehen soll, und sich statt Neugier lediglich Ratlosigkeit breitmacht. Und auf Ratlosigkeit folgt Desinteresse – was für den Verkaufserfolg eines Romans natürlich eher kontraproduktiv ist.

Der Autor ist also gezwungen, sich genau zu überlegen, was den inhaltlichen Kern seiner Geschichte ausmacht. Er muss gewissermaßen das Skelett, das allen Ereignissen des Romans Struktur und Form verleiht, von dem Fleisch trennen, das zwar durchaus schmackhaft sein kann, aber zum Verständnis der Geschichte nicht unmittelbar notwendig ist. Will er einen zugleich knappen und aussagekräftigen Klappentext formulieren, muss er eine Antwort auf die Frage finden, was der rote Faden seiner Geschichte ist, der sich von der ersten Zeile bis zur letzten durch die Handlung zieht.

Sinnvollerweise sollte ein Autor diesen roten Faden bereits kennen, bevor er mit dem Schreiben seiner Geschichte beginnt. Der Klappentext – der ja ganz am Ende der Arbeit an einem Roman steht – schlägt auf diese Weise eine Brücke zum Beginn, nämlich zur Planungs- und Konzeptionsphase, in der sich der Autor schließlich entscheidet, wer die Protagonisten der Geschichte sein sollen und auf welche Weise sie durch die Ereignisse, die im Verlauf der Handlung auf sie einwirken, verändert werden. Diese Entscheidungen legen zugleich fest, was viele Monate später in den Klappentext hineingehört und was draußen bleiben muss.

Einige Leser meiner Romane haben mich gefragt, warum ich bei meinen Klappentexten immer die zweite Hauptfigur unter den Tisch fallen lasse. Bei „Shai’lanhal“ wird im Klappentext mit keinem Wort erwähnt, dass meinem Protagonisten Shaan mit Deleja eine weitere zentrale Figur zur Seite steht. Bei der „Gwailor-Chronik“ geht es im Klappentext lediglich um das Schicksal von Prinz Dayin, aber die sympathische und mutige Prinzessin Lilell aus dem Nachbarkönigreich wird totgeschwiegen, obwohl auch sie für die Handlung der Geschichte unverzichtbar ist. Gleiches gilt für „Der Dunkelelf“. Protagonist Vian erhält von mir im Klappentext die volle Aufmerksamkeit, während die zweite Hauptfigur Lerith abermals nicht zu existieren scheint.

Man könnte daraus den Schluss ziehen, dass ich meinen männlichen Protagonisten deutlich mehr zugetan bin als meinen weiblichen und die Mädel in meinen Geschichten ungerecht und stiefmütterlich behandle. Ich versichere an dieser Stelle, dass das Gegenteil der Fall ist. In all meinen Romanen mochte ich die weiblichen Hauptfiguren genauso gern wie die männlichen. Warum aber tauchen Deleja, Lilell und Lerith dann nicht auch in meinen Klappentexten auf?

Die Antwort auf diese Frage hängt mit etwas zusammen, das in Schreibratgebern „Prämisse“ genannt wird. Eine Prämisse ist dabei nichts anderes als der oben erwähnte rote Faden, der einer Geschichte ihre sinnhafte Struktur gibt. Mit Hilfe einer Prämisse legt ein Autor fest, worin der zentrale Konflikt des Protagonisten bestehen soll und wie die Entwicklung aussieht, die er im Laufe der Handlung vollzieht.

Eine solche Prämisse besteht in der Regel nur aus einem einzigen Satz, z.B. „Vertrauen in sich selbst führt zum Erfolg“ oder „Das Akzeptieren der eigenen Identität führt zum Glück“ oder „Eifersucht führt in die Selbstzerstörung“ oder „Das egoistische Verfolgen eigener Ziele führt zur Weltherrschaft“ usw. Zentrales Element einer Prämisse ist stets ein bestimmter Aspekt der Hauptfigur, der über konflikthafte Ereignisse schließlich zu einem bestimmten psychischen und emotionalen Endzustand des Protagonisten hinführt.

Auch wenn jede wichtige Figur eines Romans idealerweise ihre eigene Prämisse besitzen sollte, muss sich ein Autor vor Beginn seines Schreibens entscheiden, welche Prämisse welcher Figur zum roten Faden bzw. zum inhaltlichen Skelett seiner Geschichte werden soll. Auch wenn es in dieser Geschichte noch weitere bedeutsame Hauptfiguren gibt, ist es doch die Prämisse der zentralen Hauptfigur, die den Gang der Ereignisse bestimmt.

Dies zeigt sich bereits daran, dass der Autor seine Geschichte mit Szenen beginnt, in denen die eigentliche Hauptfigur mit ihrem zentralen Konflikt (d.h. mit ihrer Prämisse) in die Handlung eingeführt wird, während andere wichtige Hauptfiguren erst danach eingeführt werden. „Shai’lanhal“ beginnt mit der Einführung von Shaan, während Deleja erst mehrere Kapitel später in der Geschichte auftaucht. In der „Gwailor-Chronik“ beginnt jeder neue Zeitabschnitt nach einem Zeitsprung mit Dayins Kapiteln, während die Erlebnisse Lilells erst danach kommen. Auch „Der Dunkelelf“ beginnt nach dem Prolog mit Bösewicht Balarot mit der Einführung Vians und seinen Konflikten, während Lerith und ihre Probleme erst zu einem späteren Zeitpunkt thematisiert werden.

Die Geschichten beginnen jeweils mit dem Hauptprotagonisten, da es seine Prämisse ist, die bestimmend für die Handlung ist, während die anderen Hauptfiguren erst später dazu stoßen und ihre eigene Prämisse mit der Prämisse der zentralen Hauptfigur verflechten. Doch die Richtung gibt stets die Prämisse der zentralen Hauptfigur vor. Dies ist eine unbedingte Notwendigkeit bei der Konzeption von Romanen.

Für den Klappentext bedeutet das, dass man sich bei seiner Formulierung ausschließlich auf den roten Faden konzentrieren sollte, der von der Hauptprämisse des zentralen Protagonisten gebildet wird. Andere Protagonisten – auch wenn sie noch so wichtig oder sympathisch sind – sind in diesem Fall vernachlässigbar. Natürlich kann man theoretisch auch andere wichtige Figuren in einem Klappentext erwähnen, ich denke jedoch, dass dadurch die Prägnanz und die inhaltliche Geschlossenheit des Klappentextes verwässert werden würden.

Einen Klappentext zu formulieren ist in der Regel harte Arbeit, und auszuwählen, was hinein soll und was draußen bleiben muss, ist zuweilen durchaus schmerzlich für einen Autor. Die Arbeit mit einer Prämisse erleichtert diesen Prozess, weil sie dem Autor Entscheidungskriterien an die Hand gibt, mit deren Hilfe er eine begründete Wahl treffen kann, welche Elemente der Handlung für eine Inhaltsbeschreibung relevant sind und welche nicht. Was für den Klappentext gilt, gilt in ebensolcher Weise auch für das Verfassen eines Exposés. Aber das ist wieder eine andere Geschichte und würde an dieser Stelle zu weit führen.

Als Fazit kann ich aus vollem Herzen sagen, dass mir meine weiblichen Hauptfiguren genauso ans Herz gewachsen sind wie meine männlichen. Sie hatten lediglich das Pech, dass die Geschichten, die ich bisher erzählt habe, in meinen Augen mit einer männlichen Figur als zentralem Protagonisten besser funktioniert haben als mit einem weiblichen. Wer Lust hat, kann das gern selbst einmal nachprüfen, indem er sich vorstellt, Shaan, Dayin und Vian wären Mädel gewesen oder wie die Geschichten wirken würden, hätte ich Delejas, Lilells und Leriths Handlungsabschnitten in der Abfolge der Ereignisse jeweils den Vorzug vor denen der männlichen Hauptfiguren gegeben. Ich denke, das hätte einfach nicht gepasst. Aber wer weiß – vielleicht schreibe ich ja irgendwann mal eine Geschichte, in der die Prämisse eines Mädels tonangebend ist. Dann würden auch die Männer im Klappentext keinen Stich machen.

Mensch oder Elf, das ist hier die Frage! - Juni 14, 2017 by Susanne Gavénis

Bei der Konzeption seiner Figuren gilt es für einen Autor, sich über eine Menge Dinge klar zu werden. Das umfasst neben den naheliegenden Fragen nach dem Geschlecht, dem Aussehen, den biographischen Erfahrungen und – damit zusammenhängend – dem Charakter von Protagonist und Antagonist auch die Überlegung, welcher Rasse eine Figur angehören soll. Je nachdem, mit welchen inneren und äußeren Konflikten sich die Hauptfigur einer Geschichte auseinandersetzen muss, ist die Entscheidung hinsichtlich dieses Aspekts oft von enormer Bedeutung für die gesamte Handlung und steckt den Rahmen ab, innerhalb dessen sich der Held oder die Heldin bewähren muss.

Gleiches gilt grundsätzlich auch für die Konzeption von Fantasy-Romanen. Auch hier findet mit der Festlegung der Rassenzugehörigkeit des Protagonisten eine Weichenstellung statt, die die Marschrichtung für die Handlung und die Entwicklung der Hauptfigur vorgibt, und dies umso mehr, je mehr unterschiedliche Rassen die fiktive Welt der Geschichte bevölkern sollen. Treffen Menschen, Elfen, Zwerge, Orks und Trolle in einem bunten Völkergemisch aufeinander, ist das Pulverfässchen mit der brennenden Lunte niemals weit entfernt.

Mit etwas weniger Dramatik aufgeladen ist das Ganze, wenn es – so wie in „Der Dunkelelf“ – nur eine einzige Rasse gibt. Dennoch war die Entscheidung, Elfen die Hauptrolle in der Geschichte spielen zu lassen, am Anfang meiner Planungsphase nicht so klar, wie es vielleicht scheinen mag. Gerade weil die klassischen Reibungspunkte zwischen den unterschiedlichen Fantasy-Rassen in „Der Dunkelelf“ nicht im Mittelpunkt stehen sollten, sondern ich den Fokus auf die Konflikte zwischen den verschiedenen Clans legen wollte, habe ich mich gefragt, was eigentlich dagegen spricht, statt der Elfen gewöhnliche Menschen als Figuren meines Romans zu verwenden. Die Clans hätten statt aus Elfen auch aus normalen Menschen bestehen können, und auch für die Elementmagie hätte es nicht notwendigerweise Elfen gebraucht (schließlich war Shaan, mein Protagonist aus „Shai’lanhal“, auch kein Elf, und die Geschichte hat trotzdem gut funktioniert). Und da ich bei meiner Arbeit als Autorin stets nach dem Ökonomieprinzip verfahre und streng darauf achte, keine für die Handlung und die Figurenentwicklung überflüssigen Elemente in meine Geschichten einzubauen (weshalb ich meine Protagonisten auch nicht ohne zwingenden Grund zu einem Zwerg oder Troll machen würde, außer die Story erfordert es), hat sich mir erst recht die Frage gestellt, ob eine Entscheidung für Elfen und gegen Menschen nicht ein solches überflüssiges Element wäre.

Dass meine Wahl am Ende trotzdem auf die Elfen gefallen ist und die Menschen leer ausgegangen sind, hat mehrere Gründe. Zum einen konnte ich mich der Tatsache nicht verschließen, dass die Vertreter der klassischen Fantasy-Rassen für die Leser von Fantasy-Romanen mit besonderen Bedeutungen aufgeladen sind und bestimmte Assoziationen auslösen, die nicht untereinander austauschbar sind. Ohne dass man als Autor auch nur ein Wort der Charakterisierung darüber verlieren müsste, würde dem Begriff „Mensch“ sofort etwas Robustes und Bodenständiges anhaften, während mit dem Begriff „Elf“ auf der Gefühlsebene mehr das Ätherische und Grazile assoziiert ist, das Fließende und Magische, das bereits von seiner bloßen Existenz her den Kräften der Natur näher steht, als ein Mensch dies täte. Eine solche magisch getönte Assoziation zwischen meinen Figuren und der sie umgebenden Welt erschien mir für die Art von Geschichte, die ich erzählen wollte, passender, weil ich dabei auf Bedeutungsgehalte zurückgreifen konnte, die in der Fantasie der Leser bereits angelegt waren, und ich sie nicht erst durch meine Erklärungen und Beschreibungen herstellen musste. Das mag subtil und wenig offensichtlich sein, für mich als Autorin war es dennoch von Bedeutung, als ich in meine Figuren und die Geschichte hineingespürt habe.

Was vor allem für meine beiden Protagonisten Vian und Lerith gilt, gilt in ebensolcher Weise für meinen Bösewicht Balarot. Auch hier wäre es möglich gewesen, aus Balarot einfach nur einen abtrünnigen menschlichen Zauberer zu machen, der sich gemeinsam mit einer Gruppe von anderen schurkischen Zauberern mit schwarzer und verbotener Magie beschäftigt (was ja in Fantasy-Romanen nichts Ungewöhnliches ist). Doch Balarot ist nicht einfach nur ein fieser Zauberer. Er ist ein Dunkelelf. Was auf der oberflächlichen Ebene vielleicht gleich aussieht, offenbart seine wirkliche Bedeutung, wie ich finde, in den Assoziationen, die mit dem Begriff „Dunkelelf“ verbunden sind und sich von denen unterscheiden, die von dem Begriff „abtrünniger menschlicher Magier“ ausgelöst werden würden. Im Wort „Dunkelelf“ schwingt bereits etwas von der Pervertierung mit, die alle mit den Elfen assoziierten Eigenschaften in ihr Gegenteil verkehrt, und eine solche unterschwellige emotionale Verknüpfung mit bestimmten Bedeutungen war mir für das Verhältnis zwischen meinen Protagonisten und meinem Antagonisten im Fall „Der Dunkelelf“ besonders wichtig.

Unabhängig von diesen Erwägungen der eher subtilen Art, die vielleicht nur ich als Autorin so empfunden habe, die aber für die meisten Leser gar nicht von Belang gewesen wären (was immer möglich ist, da ein Autor letztlich immer nur von sich selbst ausgehen und lediglich Mutmaßungen über die Gedanken und Gefühle seiner Leser anstellen kann), gibt es aber auch handfestere Gründe, die mich dazu bewogen haben, meine Figuren zu Elfen statt zu Menschen zu machen. Als Elfen besitzen die Figuren Eigenschaften, die ihnen als Mensch abgehen würden, die aber für die Konzeption der Geschichte wichtig waren, z.B. eine große Ausdauer, die sie dazu befähigt, sozusagen mit der Leichtigkeit des Windes schnell größere Entfernungen zurückzulegen, oder einen stark ausgeprägten Orientierungssinn, der ihnen hilft, nicht blind und konfus in der Gegend herumzustolpern. Beide Fähigkeiten sind in meiner Vorstellung Ausdruck der grundlegenden Verbundenheit der Elfen mit der Natur, die über die von Menschen hinausgeht, so dass ich davon absehen konnte, an den notwendigen Stellen im Roman mehr oder weniger bemühte Erklärungen dafür zu finden, warum meine Figuren die Dinge können, die sie können.

Auch solche Überlegungen spielen in der Planungsphase einer Geschichte oft eine wichtige Rolle, und gerade Fantasy-Autoren haben hier im Vergleich zu Autoren aus anderen Genres den Vorteil, ganz selbstverständlich auf bestimmte, mit einer speziellen Fantasy-Rasse assoziierte Fähigkeiten zurückgreifen zu können, um Storyentscheidungen plausibel machen zu können, für die ansonsten einiger Erklärungsaufwand notwendig wäre. Dass in diesem Vorteil gleichzeitig auch wieder Gefahren für die Konzeption stecken, ist wiederum eine andere Geschichte und würde an dieser Stelle zu weit führen. Sinnvoll und in Maßen eingesetzt, bietet die Existenz der etablierten Fantasy-Rassen den Autoren aber ein Füllhorn an Möglichkeiten, ihren Geschichten ein charakteristisches und eigenständiges Flair zu verleihen.

All diese Gründe haben mich schließlich dazu bewogen, die Welt meiner „Schwarzen Quelle“ vollständig mit Elfen zu bevölkern und den Menschen eine kleine Erholungspause zu gönnen. Ich denke, es war die richtige Entscheidung, und hoffe wie jedes Mal, wenn ich einen neuen Roman veröffentlicht habe, dass meine Leser das genauso sehen werden. Es bleibt für einen Autor also immer spannend.

Der Reiz der Elementmagie - Juni 11, 2017 by Susanne Gavénis

Dem aufmerksamen Leser wird es nicht entgangen sein – nach „Shai’lanhal“ ist „Der Dunkelelf“ mein zweiter Roman, in dem die Figuren über die Kräfte des Windes, des Feuers, des Wassers und der Erde gebieten. Was macht für den Leser von Fantasy-Romanen (oder für den Zuschauer, wenn es sich um einen Film handelt) den besonderen Reiz gerade dieser speziellen Spielart der Magie aus? Dies hat, soweit ich sehen kann, mehrere Gründe.

Zum einen ist eine Magie, die auf der Beherrschung der vier Elemente gründet, auf eine viel intimere Weise mit dem Leben und den natürlichen Lebensbedingungen des Menschen verbunden als jede andere Form der Zauberei. Die Erde, das Wasser, die Luft und die Wärme des Feuers und der Sonne sind die Grundlage, die jegliches Leben überhaupt erst möglich macht. Sie sind in jeder einzelnen Sekunde ein unauslöschlicher Teil der körperlichen Existenz des Menschen, fließen durch ihn hindurch, nähren und erhalten ihn – oder können ihn auch zerstören. Diese fundamentale Abhängigkeit des Menschen von den Elementen ist etwas, das schon immer zugleich fasziniert und Angst gemacht hat, und die Versuche, die elementaren Kräfte der Natur mit Hilfe magischer Praktiken zu beherrschen und zu kontrollieren, sind so alt wie die Menschheit selbst.

Zum anderen wohnt den Elementen und ihrer magischen Manipulation durch diese existentielle Ursprünglichkeit eine archaische und beinahe archetypische Qualität inne, die ihre Wirkung auf einer tieferen emotionalen und psychischen Ebene entfaltet, als dies bei anderen und diesem archetypischen Kern ferneren Ausdrucksformen der Magie in Fantasy-Geschichten der Fall ist. Ein Magier, der aus dem Nichts eine Flammenwand emporlodern lassen oder die tosenden Wogen eines Meeres mit einer einzigen Handbewegung dazu bringen kann, vor ihm zurückzuweichen, hat direkten Zugriff auf die Schöpfungskraft selbst, während ein Magier, der einem grunzenden Troll mit einem schadenfrohen Grinsen ein Paar Kaninchenohren an den plumpen Schädel zaubert oder die Fähigkeit besitzt, die Sprache der Vögel und Eichhörnchen zu verstehen, sich zwar unseres Staunens als Leser gewiss sein kann, aber nicht im selben Maße das Gefühl in uns hervorruft, gerade Zeuge von etwas Größerem, Bedeutsameren geworden zu sein, das über die profane – auch magisch manipulierbare – Realität hinausreicht und auf eine andere Art als gewöhnliche Magie von Macht durchdrungen ist. Der Erfolg solcher Geschichten wie „Avatar – Herr der Elemente“ (die Zeichentrick-Serie, nicht der Film) geht in meinen Augen – neben der sehr guten Story, die erzählt wird – auch auf diese tiefere emotionale Wirkung der Elementmagie zurück. Jeder, der miterlebt hat, wie sich im finalen Endkampf die Hauptfiguren zu getragener orchestraler Musik minutenlang ein magisches Duell auf Leben und Tod liefern, wird, denke ich, verstehen, was ich meine.

Auf der Ebene der Storykonzeption hat die Elementmagie darüber hinaus den großen Vorteil, dass sie für den Autor handhabbar und für den Leser einschätzbar ist. Eines der zentralen Prinzipien einer guten Figurenkonzeption ist es, die Fähigkeiten einer Figur für den Leser transparent zu gestalten. Dies ist auch ein wichtiger Aspekt, wenn es darum geht, Spannung in einer Geschichte zu erzeugen und aufrecht zu erhalten. Weiß man als Leser niemals genau, was für Stärken und Schwächen eine Figur nun genau besitzt, kann man auch nicht einschätzen, ob eine scheinbare Gefahrensituation überhaupt eine Bedrohung für sie darstellt oder ob sie nicht plötzlich mit einem gelangweilten Gähnen einen spektakulären magischen Trick aus dem Hut zaubert, mit dem sie ihren Hals – der offenbar niemals wirklich in Gefahr war – lässig wieder aus der Schlinge zieht. Eine Figur – bzw., um bei unserem Thema zu bleiben, ein Magier -, die alles kann, weil der Autor es versäumt hat, ihren Fähigkeiten klare Grenzen zu setzen, ist jedoch der Tod jeder interessanten und spannenden Geschichte.

Dieser Umstand wird noch dadurch verschärft, dass der Autor ein ordentliches Plausibilitätsproblem bekommt, wenn er seinen scheinbar allmächtigen Magier doch einmal in ernsthafte Schwierigkeiten geraten lässt, durch die – dramatisch! – mit einem Mal sogar sein Leben auf dem Spiel steht. Hat sich dieser Magier in früheren brenzligen Situationen jedoch damit aus der Affäre gezogen, dass er sich z.B. einmal in eine Maus verwandelt hat, um durch eine Mauerritze aus einem Verlies zu entkommen, hat er ein anderes Mal einen Berg über einer anrückenden Ork-Armee einstürzen lassen und ein drittes Mal das sinistre Komplott des Bösewichts dadurch aufgedeckt, indem er durch zehn Backsteinmauern hindurch jedes Wort belauscht, das sich die Verschwörer in ihrem Geheimversteck ins Ohr flüstern, dann ist dem Leser nicht verständlich zu machen, warum er plötzlich nicht bemerkt, wie sich sein Gegenspieler in aller Ruhe von hinten an ihn heranschleicht und ihn überwältigt, und warum er es nicht fertig bringt, sich von seinen Fesseln zu befreien, mit denen er auf dem Heuwagen festgebunden ist, der führerlos auf einen Abgrund zurast (oder den Heuwagen anderweitig zu stoppen).

Die Gefahr, dass eine Figur grundlos unter den Möglichkeiten bleibt, die sie aufgrund ihrer Fähigkeiten eigentlich haben müsste, existiert natürlich immer, und jeder Autor tut gut daran, sich ihrer stets bewusst zu sein. Die Elementmagie bietet ein natürliches Regulativ gegenüber einer solchen Beliebigkeit und Unvorhersehbarkeit im Handeln einer Figur. Verfügt eine Figur über die Fähigkeit, ein bestimmtes Element zu kontrollieren (Erde, Feuer, Wasser, Luft oder – wie im Fall der Elfen aus „Der Dunkelelf“ – die Heilung von Lebewesen und das Wachstum von Pflanzen), so sind die Grenzen ihrer Magie dadurch einerseits eindeutig definiert, andererseits bleibt ihr aber immer noch ein großer Spielraum, um kreative Lösungen für Probleme oder Gefahrensituationen zu finden, die die Leser überraschen können (was natürlich ebenfalls sehr wichtig ist).

Ob ein Luftmagier nun einen kleinen Tornado entstehen lässt, um die auf ihn zustürmende Wildsau einfach aus dem Weg zu pusten, ob er mit einem kraftvollen Windstoß einen Baum entwurzelt, der der Sau als Barriere vor die Füße fällt, oder ob er ihr brutal die Luft aus den Lungen saugt und sie bewusstlos zusammenbrechen lässt (oder noch viele andere Dinge mehr, die ihm und dem Autor gerade einfallen), ist dabei gleichgültig. Solange sich die gefundene Lösung innerhalb der Grenzen der Möglichkeiten bewegt, die der Autor für den Ausdruck dieser Magie festgelegt hat, wird der Leser vielleicht verblüfft, aber nicht verärgert oder gar befremdet darauf reagieren, und er wird nicht das Gefühl haben, vom Autor für dumm verkauft worden zu sein.

Hätte der Magier die arme Sau dagegen mit einer gezielten Flammengarbe in einen Schmorbraten verwandelt, statt sie, getragen auf den sanften Schwingen des Windes, in den nächsten Baumwipfel zu befördern, hätte er die Gesetze der Luftmagie verletzt und wäre von einer Sekunde zur anderen zum Feuermagier mutiert. Einen derartigen Bruch mit den als gültig vorausgesetzten magischen Spielregeln würde der Leser vermutlich eher mit einem ungläubigen Stirnrunzeln quittieren, statt sich darüber zu freuen.

Verbindet man all diese Vorzüge der Elementmagie schließlich noch mit einer konflikthaften Ausgangssituation für den Protagonisten – etwa ein Feuermagier, der sich vor der zerstörerischen Seite seiner Magie fürchtet und lieber ein Wassermagier wäre -, hat man ein hervorragendes Material, um mit relativ wenig konzeptionellem Aufwand die Grundlagen für eine interessante Geschichte festzuzurren. Natürlich sind die unterschiedlichsten Arten von inneren und äußeren Konflikten auch mit anderen Formen der Magie als der Elementmagie möglich, aber gerade aufgrund ihrer klaren Regeln und Gesetzmäßigkeiten ist die Elementmagie für eine konflikthafte Figurenkonzeption und die glaubwürdige Auflösung von Gefahrensituationen im Verlauf der Handlung besonders gut geeignet.

Vor allem bei sehr magielastigen Fantasy-Romanen ist das Risiko groß, dass diese Magie zu einem Storykiller wird, wenn ihre Möglichkeiten und Grenzen vom Autor nicht gut genug ausgearbeitet werden. Ein klar konzipierter Feuer- oder Wassermagier ist mir deshalb allemal lieber als ein geheimnisvoller Gandalf, der zwar alles irgendwie zu können scheint, in Momenten, in denen es wirklich darauf ankäme, seinen Zauberstab jedoch lieber als gewöhnlichen Knüppel gebraucht, statt als der mächtige Magier zu agieren, als der er sich in früheren Bedrohungslagen ja bereits oft genug erfolgreich geriert hat. Gerade für den Einsatz von Magie in Fantasy-Geschichten gilt daher die alte Weisheit, dass weniger (dafür aber transparenter und einschätzbarer für den Leser) ganz entschieden mehr ist.

Hintergründe zu den Geschichten meiner Romane - Juni 26, 2015 by Susanne Gavénis

Als Autor macht es mir immer besonders viel Spaß, mit den Lesern über meine Geschichten ins Gespräch zu kommen. Dann wird diskutiert, warum der Protagonist dies oder jenes getan hat, oder warum die Handlung an einer bestimmten Stelle eben jene und keine andere Wendung genommen hat. Manchmal kommen dabei auch Aspekte zur Sprache, die ich vielleicht nicht so klar darstellen konnte, wie ich es mir gewünscht hätte, und deshalb möchte ich diesen Teil meiner Webseite nutzen, um auf mir häufig gestellte Fragen zu antworten. Natürlich können Sie auch selbst Fragen stellen oder bereits bestehende Artikel kommentieren.

Inspiration - Juni 25, 2015 by Susanne Gavénis

Wie die Welt so spielt: Eine der wichtigsten Inspirationsquellen für meinen Roman „Shai’lanhal“ war ein Poster eines Videospielmagazins, das einen Kämpfer zeigt, der vor Feuer von innen zu glühen scheint. Meine Geschichte hat nun den Künstler Uwe Schaaf, der die Cover zum „Gambler-Zyklus“ und zum „Wächter des Elfenhains“ gestaltet hat, wiederum zu dem folgenden Bild mit dem Titel „Yinyal“ inspiriert:

YinyalHier noch einmal der Link zur Webseite Augensound, wo der Künstler Uwe Schaaf viele seiner Renderings präsentiert:

Augensound – Yinyal

Die Cover-Bilder der Gwailor-Chronik - Januar 31, 2015 by Susanne Gavénis

Es gibt nur wenige, dafür aber umso bedeutsamere Regeln, die man beachten muss, wenn man für einen Roman ein Cover entwirft. Eine davon lautet: Das Coverbild muss eine Geschichte erzählen. Wenn beim Betrachten des Covers in der Fantasie des (noch zukünftigen und im Augenblick lediglich potenziellen) Lesers bereits zu diesem frühen Zeitpunkt das viel bemühte „Kopfkino“ angeworfen wird und Assoziationen zu Geschichten und Figuren geweckt werden, die er vielleicht schon seit vielen Jahren aus Literatur, Film und Fernsehen kennt, wird er – so die Hoffnung von Autoren und Verlagen – neugierig auf den Roman, der sich hinter diesem Cover verbirgt.

Bei der Auswahl des Covermotivs stellen sich also zwei wichtige Aufgaben (und an beiden kann man sowohl als Selfpublisher-Autor als auch als Verlag spektakulär scheitern): Zum einen darf das Coverbild nicht nichtssagend sein, und zum anderen muss es – wenn es ihm denn gelingt, eine Geschichte zu erzählen – auch die richtige Geschichte erzählen. Beides klingt banal, ist es aber ganz und gar nicht. Das liegt zum großen Teil daran, dass jeder Leser, der in Buchhandlungen oder im Online-Shop auf die Suche nach einem neuen Roman geht, von bestimmten Erwartungen geleitet wird.

Diese Erwartungen betreffen zunächst ganz grundsätzlich das Genre, in dem er gerne Geschichten liest. Ein Fantasy-Leser mag zwar vielleicht Geschichten mit Magie und Zauberei, findet aber möglicherweise Horror-Romane mit finsterer Hexerei, Dämonen und (sehr viel) Blut absolut furchtbar und würde sie nicht einmal mit der Kneifzange anrühren. Auch ein Liebhaber von locker-leichten Liebesromanen könnte durchaus irritiert sein, wenn sich im Verlauf der Handlung herausstellen würde, dass der etwas verruchte und gefährlich wirkende bad guy in Wahrheit tatsächlich ein Vampir ist.

Eine der wichtigsten Aufgaben von Buchcovern ist es daher, den Erwartungsscheinwerfer des Lesers, den dieser (oft unbewusst) durch die Buchhandlung wandern lässt, mit ihren Motiven zunächst einmal überhaupt auf sich aufmerksam zu machen und ihn zugleich in die richtige Richtung zu lenken, d.h. in die Richtung, die ihm das sichere Gefühl gibt, dass der Roman, den er gerade betrachtet, einfach „zu ihm passt“ und seine Erwartungen nicht enttäuschen wird. Was für ein bestimmtes Genre gilt, das ein Leser bereits mit dem ersten Blick auf ein Buchcover zweifelsfrei identifizieren können sollte, gilt nicht minder für die Art der Geschichte, die in diesem speziellen Genre angesiedelt ist. Auch hier wäre es fatal, wenn ein Autor oder Verlag denken würde: „Ach, was soll’s. Ein Science-Fiction-Roman ist doch eh wie der andere, und Fantasy ist Fantasy. Mit einem coolen Raumschiff oder einem laserpistolenschwingenden Han Solo-Verschnitt wird sich der Roman schon verkaufen, ganz egal, worum es in der Geschichte geht. Und wenn man bei einem Fantasy-Roman einen feuerspeienden Drachen oder einen muskelbepackten Barbaren samt knapp beschürzter Jungfrau aufs Cover pinnt, sollte das die Fantasy-Leser doch ansprechen, oder?“

Ein solches Vorgehen kann natürlich nicht funktionieren (oder nur durch Zufall), da in jedem Genre so viele vollkommen unterschiedliche Spielarten von Geschichten existieren, wie es Genres generell gibt, und jeder Leser, selbst wenn er ein bestimmtes Genre favorisiert, hier seine ganz persönlichen Vorlieben hat. Diesem Aspekt nun (um einen Bogen zu den beiden Covermotiven der Gwailor-Chronik zu schlagen) hatte ich bei meiner damaligen Verlagsveröffentlichung nicht genug Beachtung geschenkt, und ich bin daher sehr froh, dass die beiden Bände im Zuge meiner eigenen Neuveröffentlichung als Selfpublisher endlich neue Coverbilder erhalten haben. Ich bedaure, dass ich die zwei alten Verlagscover hier nicht als Illustration zu Vergleichszwecken den beiden neuen Covern gegenüberstellen kann, aber da ich mit dem Auslaufen meines Autorenvertrages auch die Veröffentlichungsrechte an den Coverbildern verloren habe, ist das leider nicht möglich.

Beide damaligen Verlagscover hatten als Motiv eine Figur, die in ihrem Aussehen von nicht nur einem Leser bzw. einer Leserin als „dämonisch“ bezeichnet wurde, und mehr als einmal habe ich zu hören bekommen, dass weder das Coverbild des ersten noch das des zweiten Bandes der Gwailor-Chronik irgendetwas mit der Geschichte zu tun habe, um die es in den Romanen geht. Noch klarer hatten es damals einige (durchweg weibliche) Rezensenten ausgedrückt, die meinten, wenn sie nur allein anhand der Covermotive hätten entscheiden müssen, hätten sie die Gwailor-Chronik nicht gelesen.

Das war für mich eine zwar schockierende (da ich die Motive für die Cover selbst hatte aussuchen dürfen und der Verlag mir diesbezüglich freie Hand gelassen hatte), aber zugleich auch äußerst lehrreiche Erfahrung, die mir nun, da ich völlig unabhängig von einem Verlag meine Romane in Eigenregie veröffentliche, wertvolle Dienste leistet. Rückblickend ist mir deutlich bewusst, welchen Fehler ich bei der Auswahl der damaligen Covermotive gemacht habe. Ich war nämlich schlicht zu sehr von mir selbst ausgegangen, ohne dabei die Genreerwartungen meiner Leser im Blick zu haben, und ich hatte auch zu wenig darauf geachtet, was für eine Art von Geschichte die beiden Bilder auf den Covern überhaupt erzählen.

Ich selbst fand, dass beide Bilder sehr gut zur Geschichte gepasst haben, allerdings auch nur deshalb, weil ich sehr stark meine eigenen Deutungen in das jeweilige Motiv hineinprojiziert habe. Hauptfigur der Gwailor-Chronik ist ja Prinz Dayin, dem bei seiner Geburt die schreckliche Prophezeiung gemacht wird, dass er als junger Erwachsener seinen Vater, den König, hinterrücks ermorden wird. Dayin ist nun – ganz im Gegensatz zum grimmigen Inhalt der Prophezeiung – ein herzensguter Bub, der keiner Fliege etwas zuleide tun würde. Irgendetwas auch nur entfernt Dämonisches (wie es die Coverbilder suggerierten) ließ sich bei ihm wahrhaftig nicht entdecken.

Das allerdings hatte ich bei der Wahl der Bilder auch gar nicht im Sinn gehabt. Für mich hatten beide Motive eine rein symbolische Bedeutung. Das erste sollte sinnbildlich für die Schrecken und die Düsternis stehen, die – vollkommen ohne eigenes Verschulden – über den armen Dayin gekommen waren. Das zweite – nicht weniger dämonisch – sollte Dayins Bruder Gerrent symbolisieren (wohlgemerkt symbolisieren, nicht konkret abbilden), dessen Persönlichkeitsentwicklung durch die Prophezeiung ebenfalls massiv beeinflusst wurde (wenn auch in eine andere Richtung als bei Dayin).

Was ich damals überhaupt nicht realisierte, war, dass natürlich keiner der potenziellen Käufer der Gwailor-Chronik von meinen persönlichen und sehr subjektiven Deutungen der beiden Covermotive auch nur das Geringste ahnte. Sie sahen lediglich zwei Cover mit zwei durchaus furchteinflößenden, dämonisch wirkenden Figuren, und die Geschichte, die diese Figuren in den Augen der Leser erzählt haben, war nicht einmal im Ansatz die, um die es zwischen den Buchdeckeln in Wirklichkeit ging (und – was noch viel schlimmer war – es war nicht die Art von Geschichte, die sie bei Fantasy-Romanen mochten).

Die Lehre, die ich aus dem damaligen Cover-Debakel für die Zukunft gewonnen habe, ist, dass ich mittlerweile sehr genau darauf achte, dass die Coverbilder meiner Romane das typische Feeling zum Ausdruck bringen, das in der jeweiligen Geschichte herrscht, und dass die Art der Geschichte, die die Bilder erzählen, zur Genre-Erwartung meiner Leser passt. Die beiden Motive, die ich für die Neuveröffentlichung der Gwailor-Chronik ausgewählt habe, erzählen auf jeden Fall eine völlig andere Geschichte als die beiden alten, die, wie ich finde, nun sehr viel besser der Handlung und den Figuren entspricht (um das Kopfkino meiner Leser nicht zu beeinflussen, verzichte ich an dieser Stelle auf eine umfangreiche Beschreibung, welche Assoziationen der Anblick der beiden neuen Covermotive in mir auslöst und in welche Richtung mein eigenes Kopfkino angeworfen wird. Ich wäre aber sehr neugierig auf entsprechende Rückmeldungen).

Und so sage ich den beiden alten, „dämonischen“ Covern der Gwailor-Chronik nun mit einem weinenden und gefühlten 195 lachenden Augen endgültig Lebewohl und freue mich auf eine Zukunft, in der die Geschichte um Prinz Dayin und Prinzessin Lilell beim Blick auf die Buchcover bei den interessierten Lesern endlich keinen Schauder des Entsetzens mehr auslöst und ihnen das Gefühl vermittelt, unversehens in die nächste „Walking Dead“-Folge hineingestolpert zu sein. Das würde Dayin und Lilell nämlich ganz entschieden Unrecht tun!

Über Prophezeiungen und Protagonisten - Dezember 11, 2014 by Susanne Gavénis

Die Prophezeiung ist ohne Zweifel ein äußerst beliebtes Element in der Fantasy-Literatur. Die Art, wie sie von vielen Autoren in ihren Geschichten verwendet wird, folgt dabei oft einem ganz bestimmten Muster, das sich – auch wenn es dort letztlich keine ursächliche Prophezeiung gegeben hat – bis zu Tolkiens „Herr der Ringe“ zurückverfolgen lässt. In der Regel wird der Hauptfigur durch einen Seher, eine geheimnisvolle Schriftrolle aus uralter Zeit oder einen sonstigen kryptischen Umstand kund getan, dass allein sie vom Schicksal oder den Göttern auserkoren worden sei, das aus äonenlangem Schlummer wiedererwachte Böse endgültig niederzuringen und der Menschheit ein neues Zeitalter des Lichts zu schenken. Dummerweise ist diese finstere Bedrohung, die sich gerade anschickt, von Neuem ihre gierigen Tentakel nach den Menschen auszustrecken, nicht an der nächsten Straßenecke zu finden, sondern – wie könnte es anders sein – am anderen Ende der Welt. Was nun getan werden muss, ist klar.

Der Kern dieser Geschichten ist im Grunde weniger die Prophezeiung selbst – die lediglich den Startschuss liefert und den Helden motiviert, sich überhaupt in Bewegung zu setzen -, sondern die Reise, die der Protagonist antreten muss, um zu seinem vom Orakel geweissagten Bestimmungsort zu gelangen. Auf dieser Reise – die er oft zusammen mit einer ganzen Gruppe wagemutiger Abenteurer unternimmt – müssen viele Gefahren gemeistert werden, Überfälle von Räubern, Monstern aller Art und der Kampf gegen eine unwirtliche Natur sind an der Tagesordnung, bis der Held schließlich seiner von der Prophezeiung bereits zu Beginn festgelegten Nemesis gegenübersteht.

Bei all diesen Abenteuern und Hindernissen, die sich dem Protagonisten in den Weg stellen, bleibt die Prophezeiung als solche jedoch meist etwas Fernes und Äußerliches für ihn, das für seine Persönlichkeit nicht viel mehr Bedeutung hat als irgendeine unangenehme Aufgabe, die ihm von oben aufs Auge gedrückt wurde und die er nun mehr oder weniger Zähne knirschend abarbeiten muss. Wenn sich die Hauptfigur im Verlauf der Handlung verändert, dann geschieht dies mehr durch eine Auseinandersetzung mit den Widrigkeiten auf dem Weg zum prophezeiten Endkampf als durch die Existenz der Prophezeiung selbst, und man hat als Leser oft das Gefühl, dass die Geschichte mit einem anderen Protagonisten genauso gut funktioniert hätte und es letztlich gleichgültig war, wer nun am Ende die Prophezeiung erfüllt.

Diese Art von Geschichten hat mich nie wirklich gefesselt. Als Autor hat mich mehr die Frage fasziniert, wie es ist, wenn eine Figur eine Prophezeiung nicht bloß als lästige Pflicht empfindet, die sie in eine Reihe zwar unterhaltsamer, am Ende aber mehr oder weniger beliebiger und austauschbarer Abenteuer zwingt, sondern wenn diese Figur durch die Prophezeiung im Kern ihres gesamten Wesens verändert wird. Dieser Frage bin ich – in jeweils unterschiedlicher Ausrichtung – sowohl in „Shaans Bürde“ als auch in der „Gwailor-Chronik“ nachgegangen. Zwar wird auch Shaan und Dayin ihre Prophezeiung von einer äußeren Macht übergestülpt, ohne dass sie dabei eine Wahl oder Einflussmöglichkeiten gehabt hätten, doch geschieht dies auf eine Weise, die ihre jeweilige Persönlichkeit einer fundamentalen Veränderung unterwirft. Die Prophezeiung wird hier zu einem geradezu intimen Bestandteil ihres Charakters und ihres Lebens, der ihr gesamtes Denken, Fühlen und Handeln von Geburt an beherrscht und allen ihren Erfahrungen eine bestimmte Färbung und Signatur verleiht. Weder für Shaan, der durch die Erziehung seines verbitterten und hasserfüllten Vaters seelisch beinahe gebrochen worden ist, noch für Dayin, der bereits als Kind daran zweifelt, ob nicht ein kaltblütiger Mörder in ihm steckt, ist die Prophezeiung, die sie gefangen hält, etwas Äußeres. Sie werden gezwungen, mit ihrem gesamten Sein eine Antwort darauf zu finden, und bei beiden ist es nicht damit getan, die Prophezeiung lediglich zu erfüllen oder ihr Eintreffen zu verhindern, denn egal ob sie am Ende scheitern oder erfolgreich sind, so werden sie doch niemals wissen, was sie für ein Mensch hätten werden können, wenn es die Worte der Seherin oder den verborgenen Kampf zwischen den Mächten des Guten und des Bösen nicht gegeben hätte. Die Prophezeiungen haben sie dauerhaft und unwiderruflich traumatisiert, und mit diesen Traumatisierungen müssen sie jeden Tag aufs Neue umgehen, und das, lange bevor und nachdem sie am Ende ihrer Geschichten ihre jeweilige persönliche Begegnung mit dem Schicksal erleben.

Das ist eine Sichtweise, die mich als Autor viel mehr interessiert als unzählige Heldenreisen kreuz und quer durch die Welt, die oft tausende von Buchseiten füllen – der Blick auf das, was eine Prophezeiung in der Seele einer Figur anrichtet und was für Konsequenzen dies für ihr Leben hat, statt farbenfrohe Abenteuer, bei denen die Prophezeiung lediglich ein mehr oder weniger plausibles Alibi für den Protagonisten ist, durch die Gegend zu ziehen und dabei ordentlich auf den Putz zu hauen. Auch das kann seinen Reiz haben und Spaß machen, mein persönlicher Zugang als Autor zu diesem Thema wird jedoch immer ein anderer sein.

Über Prophezeiungen - November 30, 2014 by Susanne Gavénis

Mit Prophezeiungen ist es wie mit Schrödingers Katze – solange man nicht hineinschaut, weiß man nie, was in der Kiste ist. Wird einem ein langes und glückliches Leben vorausgesagt, oder lauert der Tod bereits hinter der nächsten Ecke? Die Antwort auf diese Fragen hat die Menschen von je her fasziniert, und viele Propheten und Zukunftsseher haben versucht, mit der Kraft ihrer visionären Gabe einen Blick hinter den Vorhang zu werfen und dem Mysterium der Zeit ein paar seiner Geheimnisse zu entlocken – oder es zumindest behauptet.

Sei es das berühmte Orakel von Delphi, dessen schrecklicher Prophezeiung ein junger Mann namens Ödipus verzweifelt zu entfliehen versucht (was ihm am Ende, wie wir alle wissen, eher weniger gut gelingt), oder die kryptischen Visionen eines Nostradamus, deren Deutung viele Gelehrte bis heute beschäftigt – immer geht es darum, ein Licht zu entzünden und den Weg zu erhellen, der vor einem in die Dunkelheit führt, um vielleicht auf diese Weise einigen seiner Gefahren und Fallstricke entgehen zu können, die den unwissenden Wanderer ansonsten unwiderruflich zu Boden gestreckt hätten.

Doch mit jeder Prophezeiung, egal wie behutsam oder mit wie viel Absolutheitsanspruch sie auch verkündet werden mag, ist untrennbar verbunden die alte Frage nach der Henne und dem Ei. Erblickt der Prophet eine Zukunft, in der die Ereignisse, die einem Menschen widerfahren, bereits seit dem Moment seiner Geburt wie die Schauspieler in einem Theaterstück darauf warten, zum richtigen Zeitpunkt hinaus auf die Bühne zu treten, oder werden durch die Prophezeiung die Weichen gestellt, die diese Ereignisse überhaupt erst möglich machen? Denn ist eine Prophezeiung erst einmal ausgesprochen, wird sie zu einem Teil des Lebens eines Menschen, und er wird gezwungen, in irgendeiner Form darauf zu reagieren. Was er aber auch immer damit zu tun gedenkt – ob er sie in den hintersten Winkel seines Bewusstseins verbannt oder all seine Kraft darin investiert, sie zu verhindern oder Wirklichkeit werden zu lassen – , eines kann er nicht vermeiden: Die Worte des Sehers oder Orakels haben ihn verändert, haben sein Denken, Fühlen und Handeln auf eine Weise beeinflusst, die etwas Neues in sein Leben gebracht hat, was es ohne sie niemals gegeben hätte. Nicht umsonst gibt es in der Psychologie den Begriff der selbsterfüllenden Prophezeiung. In seinem verzweifelten Bemühen, einem prophezeiten Unfall zu entgehen, führt ein Mensch durch seine panischen Aktivitäten genau diesen Unfall erst herbei. Was aber war letztlich die Ursache und was die Folge?

Diese Frage berührt einen weiteren Aspekt, der eng mit Prophezeiungen jeder Art verknüpft ist, nämlich das Thema der Willensfreiheit und des Determinismus. Steht das Schicksal eines Menschen bereits von Beginn an unverrückbar fest und arbeitet er die Ereignisse, die ihm auf seinem Lebensweg begegnen, in der Rolle eines letztlich passiven Zuschauers lediglich Schritt für Schritt ab, ohne sie jedoch selbst verändern oder ihnen ausweichen zu können, oder ist jeder selbst seines Glückes Schmied, und einzig die eigene Persönlichkeit und die eigenen Anstrengungen entscheiden darüber, was aus dem unendlichen Feld der Möglichkeiten schließlich Realität wird? Oder sind die Ereignisse als solche zwar vorbestimmt, können aber beeinflusst oder ganz verhindert werden, sobald man um ihr Eintreten in der Zukunft weiß? In einem solchen Fall würden Determinismus und Willensfreiheit Hand in Hand gehen, und die Prophezeiung würde von einem unbarmherzigen Richtspruch der Götter oder des Universums zu einem Werkzeug, das, auf die richtige Weise benutzt, viel Gutes bewirken könnte.

Was aber geschieht, wenn das Eintreffen einer Prophezeiung zwar abgewendet werden kann, die Persönlichkeit des Menschen, dem das Ereignis vorausgesagt wurde, dadurch jedoch in seinen und den Augen aller anderen in einem so verabscheuungswürdigen Licht erscheint, dass sein Leben trotzdem dauerhaft beeinträchtigt ist? So ergeht es Dayin, dem Protagonisten der Gwailor-Chronik, dem bei seiner Geburt geweissagt wird, er werde seinen Vater, den König, als junger Mann heimtückisch ermorden. Eine solche Prophezeiung – gleichgültig, ob sie nun eintritt oder nicht – sagt etwas derart Fundamentales über den Charakter des Menschen aus, der zu einer solchen Heimtücke in der Zukunft fähig sein wird, dass mit dem Abwenden des schrecklichen Ereignisses die Probleme noch lange nicht aufhören. Die Eltern eines solchen Kindes müssen von nun an mit dem Gefühl leben, einen potenziellen Mörder heranwachsen zu sehen, der zusammen mit ihnen unter einem Dach wohnt. Die psychologischen Konsequenzen eines derartigen Wissens sind überhaupt nicht absehbar, in jedem Fall aber für die Beziehung zwischen Eltern und Kind verheerend. Hinzu kommt, dass auch das Kind kaum eine andere Möglichkeit besitzt, als sich dieses Bild, das alle anderen in seiner Umwelt von ihm haben, ebenfalls zu eigen zu machen, vor allem, wenn es in einem Alter damit konfrontiert wird, in dem es darauf angewiesen ist, seine eigene Identität in den Augen seiner Eltern gespiegelt und bestätigt zu sehen.

Die Frage ist, ob es einem Menschen unter diesen Bedingungen überhaupt gelingen kann, ein Gefühl für sich selbst und seine individuelle Wesensart zu entwickeln und gegen die machtvolle Fremddefinition einer Prophezeiung aufrecht zu erhalten, die keinen Zweifel daran lässt, dass er irgendwann zu einem Mörder geworden wäre, auch wenn er im Moment noch selig mit seiner Mutter die Entenküken füttert. Dieses Ringen um Identität und der Kampf gegen Selbstzweifel und innere Zerrissenheit sind das Thema der Geschichte um Prinz Dayin und Prinzessin Lilell. Es ist eine Geschichte, in der die Seherinnen der beiden Königreiche Gwailors über eine absolute und nahezu göttergleiche Macht verfügen, die weder Bauer noch König jemals in Frage stellen. Wie es ist, in eine solche Welt hineingeboren zu werden, in der der Einfluss von Prophezeiungen auf das Leben der Menschen so allgegenwärtig wie bestimmend ist, und dabei trotzdem seine eigene Persönlichkeit nicht aus dem Blick zu verlieren, war die Frage, die mich beim Schreiben der Gwailor-Chronik am meisten fasziniert hat.

Die Elfen und das Eisen - November 14, 2014 by Susanne Gavénis

Dem einen oder anderen Leser mag es ein wenig befremdlich erscheinen, dass Andion eine so starke Abneigung gegen Eisen hat. Eine solche instinktive Abwehrreaktion auf die Gegenwart von metallischen Gegenständen wirkt seltsam und willkürlich, doch bei diesem Detail der Geschichte habe ich mich eng an die irischen Feen- und Elfensagen angelehnt. Dort wird den Elfen von je her eine Abneigung gegen Eisen und andere Metalle nachgesagt, und auch im Volksglauben selbst spiegelt sich diese Auffassung wider. So war es zum Beispiel früher in Irland Brauch, eine Feuerzange oder ein anderes Stück Eisen auf die Wiege eines Säuglings zu legen, um zu verhindern, dass die Elfen das Kind stehlen und gegen einen bösartigen Wechselbalg austauschen konnten. Ebenso war es möglich, den Zauberbann einer Fee durch die Berührung mit Eisen zu brechen oder sich auf diese Weise Zugang zu einem Feenhügel zu verschaffen.

Die schwierige Beziehung zwischen Elfen und Eisen lässt sich auf verschiedene Arten erklären. Die eine Deutung – der ich auch im „Wächter des Elfenhains“ gefolgt bin – favorisiert eine eher allgemeine soziologische Betrachtungsweise und sieht in der Abneigung der Elfen gegen Eisen ein Symbol für den Siegeszug der menschlichen Zivilisation, die die Natur und ihre Lebewesen mehr und mehr an den Rand drängt und ihrer Existenzgrundlage beraubt. In diesem Sinne stünde das Eisen stellvertretend für technologischen Fortschritt, Wissenschaft und Rationalität, die den Menschen immer stärker aus der ursprünglichen Einheit und Harmonie mit der ihn umgebenden Natur herausfallen lassen.

Die andere Deutungsrichtung ist mehr religionssoziologisch orientiert. Als symbolische Vertreter früher matriarchaler, d.h. von der Verehrung der „Großen Mutter“ geprägter, Religionen und Kulturen seien die Elfen, so wird angenommen, im Lauf der menschlichen Entwicklung vom männlichen Intellekt und der patriarchalen Gottesvorstellung unterworfen und letztlich ausgelöscht worden. Das „weibliche Prinzip“ musste dem eisernen Schwert des Mannes weichen, der rücksichtslos seine Vorstellungen von der Beherrschung und Manipulation der Welt durchgesetzt hat. In dieser Sichtweise ist die Antipathie der Elfen gegen Eisen Ausdruck eines Kampfes zweier fundamental verschiedener Religions- und Gottesauffassungen.

Wie viel symbolische Bedeutungen man tatsächlich aus den Feen- und Elfenmärchen herauslesen kann, ist natürlich eine schwierige Frage, die auch die Wissenschaft vermutlich niemals abschließend wird beantworten können. Auf alle Fälle sind die tief verwurzelten Überzeugungen des Volksglaubens, der sich seinerseits in einem ständigen kreativen Wandlungsprozess und Austausch mit den sich verändernden Lebensbedingungen der Menschen befindet, für jeden Fantasy-Autor eine stete und unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Und zumindest in der Fantasy sind die Elfen und Feen, allen eisernen Schwertern zum Trotz, immer noch sehr lebendig.

Die Elfen und der Terminator - November 2, 2014 by Susanne Gavénis

Vor ein paar Tagen fragte mich ein Leser, ob mir denn aufgefallen sei, dass „Wächter des Elfenhains“, was das Grundsetting der Geschichte angeht, eine erstaunliche Ähnlichkeit mit den Terminator-Filmen habe. Das war eine interessante Frage, da ich bei der Beschreibung des Antagonisten tatsächlich des öfteren das Bild des T-1000 vor Augen hatte, wie er gerade in vollem Spurt die Straße entlangrast, um John Connor auf dem fliehenden Motorrad zu erwischen. Mir war von Anfang an klar, dass Ogaire, der Bösewicht der Geschichte, sehr bedrohlich und unerbittlich wirken musste, vor allem, da er nur in einer Handvoll Szenen überhaupt mitspielt. Umso wichtiger war es, dass seine Präsenz in der Handlung für den Leser intensiv spürbar sein musste.

Durch meine Darstellung dieser Figur Assoziationen zu den Terminator-Filmen zu erzeugen, lag da tatsächlich nahe, denn bei kaum einer anderen Geschichte ist die Bedrohung des Protagonisten durch den Bösewicht derart schnörkellos und mit einer solchen Wucht inszeniert worden. Der T-1000 hat ein klares Ziel, das er kompromisslos verfolgt, und der gesamte Rest der Geschichte ordnet sich dieser Kompromisslosigkeit unter. Das gleiche Gefühl sollten auch die Leser des „Wächter des Elfenhains“ haben, wenn es um Ogaire ging. Von daher hatte mein Leser durchaus recht mit seinem Eindruck. Auch das Grundsetting selbst ist durchaus mit den Terminator-Filmen zu vergleichen: Ein jugendlicher Protagonist, der mit seiner Mutter auf der Flucht vor seinem Vater ist, der ihn erbarmungslos jagt und sich dabei nicht scheut, über Leichen zu gehen.

Was natürlich deutlich über dieses Grundsetting hinausgeht, ist der ganze Aspekt mit dem Elfenhain und der Anderswelt. Gerade die Suche Andions nach seiner eigenen Identität mitsamt der Konflikte, die sich daraus für ihn ergeben, war für mich eine zentrale Motivation, die Geschichte zu schreiben. Hier zeigt sich dann doch, dass ein Roman weitaus mehr Möglichkeiten bietet als ein Film, die Entwicklung einer Figur zu beschreiben, und hier enden auch die Gemeinsamkeiten zwischen dem „Wächter des Elfenhains“ und dem „Terminator“. Dennoch empfinde ich es als ein Kompliment, wenn sich die Leser bei ihrer Lektüre des Romans hin und wieder an Arnie und den guten alten T-1000 erinnert fühlen.

Die Gambler-Mutation - September 7, 2013 by Susanne Gavénis

Während ich den Gambler-Zyklus konzipiert habe, habe ich mir eine Menge Gedanken zu den biologischen Hintergründen der Gambler-Mutation gemacht. Ein Teil dieser Überlegungen floss in einen Artikel eines fiktiven Wissenschaftsmagazins ein – geschrieben und veröffentlicht von niemand Geringerem als dem Gambler-Experten schlechthin: Sherman Hewitt.

Ursprünglich hatte ich geplant, alle Aspekte der Gambler-Mutation auf diese Weise aufzuarbeiten, doch leider haben mir die Anforderungen meines Berufsalltags nicht mehr die Zeit dazu gelassen. Zudem sind die Darstellungen inzwischen womöglich nicht mehr alle auf dem neuesten Stand der Wissenschaft, da zwischen der Planungsphase und der Veröffentlichung doch einige Jahre ins Land gegangen sind, aber in den Grundzügen dürfte das Material nach wie vor stimmig sein.

Für alle, die neugierig geworden sind, hier nun Sherman Hewitts Artikel als Download:

Hewitts_Artikel

Große Elfen oder kleine Feen? - September 7, 2013 by Susanne Gavénis

Als ich den Roman in der Planungsphase hatte, war mir eines völlig klar: Ich wollte eine Geschichte mit handtellergroßen, zierlichen Feenwesen schreiben. Doch als ich mit dieser Idee in das Brainstorming mit meinen beiden wichtigsten Probelesern ging, erwartete mich völlig überraschend heftiger Gegenwind. Kleine Feen seien doch zu märchenhaft (den wahren Wortlaut übergehe ich an dieser Stelle lieber) und nicht für eine ernst zu nehmende Geschichte geeignet. Zunächst einmal schweren Herzens schwenkte ich dann also auf die Darstellung menschengroßer Elfen um, doch es nagte lange Zeit an mir, dass ich mir meine ursprüngliche Idee hatte ausreden lassen.

Zum Glück ist es mir trotzdem gelungen, auch beim „Wächter des Elfenhains“ die Freude beim Schreiben zu finden, die mich überhaupt erst dazu motiviert, Geschichten zu Papier zu bringen. Es ist zwar nicht die Geschichte, die ich ursprünglich hatte erzählen wollen, doch durch die wohlvertraute Eigendynamik der Figuren wurde eine wirklich nette Story daraus – obwohl, wie ich zugeben muss, die besonders anfangs vorherrschende düstere Atmosphäre wohl meiner Trauer um die verloren gegangene Idee zuzuschreiben ist.

Und heute kann ich selbstbewusst sagen: Die Geschichte mit den zierlichen Feenwesen befindet sich noch in der Warteschleife. Aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben.

Professor Sherman Hewitt - Oktober 29, 2012 by Susanne Gavénis

Der Professor hat in der Geschichte im Grunde zwei Funktionen. So sollte er etwa den Typ Wissenschaftler verkörpern, der die Balance zwischen Menschlichkeit und wissenschaftlicher Neugier nicht immer überzeugend halten kann. Seine andere Rolle war jedoch wichtiger. Da es sich um eine militärisch geführte Station handelt, hätte es für den Captain kaum Gelegenheiten für gute Konflikte gegeben, denn die starre Befehlshierarchie lässt dafür, zumindest in so hohen Dienstgraden, kaum Spielraum. Weil aber schnell feststand, dass Captain Elaine Wilding eine Figur mit starker Präsenz werden musste, da ich einen Charakter brauchte, der, anders als Danny, alle Hintergründe und Implikationen auch auf politischer und sozialer Ebene kennt oder kennenlernt, wollte ich ihr eine Figur zur Seite stellen, an der sie sich reiben kann. Ein Zivilist, noch dazu ein Wissenschaftler, der manchmal dazu neigt, seinen eigenen Mangel an Mitgefühl auf andere zu projizieren, war für diese Rolle perfekt geeignet.

Die Hewitts - Oktober 29, 2012 by Susanne Gavénis

Es war von Anfang an klar, dass die Erde angegriffen werden sollte, schließlich musste ich eine Bedrohung inszenieren, die Danny auf den Plan ruft, aber es war gar nicht so einfach, eine fremde Rasse zu erfinden, die nicht allem gleicht, was man nicht schon dutzendmal gesehen oder gelesen hat. Da die Geschichte nicht auf einen Genozid hinauslaufen sollte, wollte ich eine Rasse, die aus reinem Instinkt handelt und nicht etwa auf Eroberung aus ist.

Außerdem sollte es keine Raumschlachten nach dem bekannten Schema Schiff kämpft gegen Schiff geben. Im Grunde fragte ich mich, wie ich Dannys besondere Fähigkeiten bis an ihre Grenze fordern könnte, und so wurde der Schwarm geboren, dessen Abwehr eigentlich vom Prinzip her ein komplexes, höchst dynamisches Tontaubenschießen erfordert, zu dem normale Menschen eben nur bedingt in der Lage wären.

Eine Frau als Captain - April 5, 2012 by Susanne Gavénis

Ich muss zugeben, dass ich in den Captain eine Menge Herzblut investiert habe. Häufig spürte ich zu meinen männlichen Charakteren eine tiefere Verbindung als zu den weiblichen, Elaine ist jedoch eine Ausnahme. Eigentlich sollte sie anfangs nur deshalb eine Frau sein, weil Danny mit Thad Thornsburg bereits einen starken männlichen Gegenspieler besaß, und ich wollte keine Überfrachtung mit männlichen Figuren. Doch je mehr ich mich mit ihr befasste, desto mehr mochte ich sie. Sie entwickelte sich schnell zu einer Figur mit einem starken Willen und war ein toller Charakter für konflikthafte Dialoge. Ihre kraftvolle, energische Art empfand ich auch als erfrischend, da sie eben trotz allem eine Frau ist und deshalb ganz anders wirkt als ein Mann in der gleichen Position. Gerade Konflikte werden zwischen zwei Männern anders ausgetragen als zwischen einem Mann und einer Frau, und so hat es mir wirklich Spaß gemacht, die Szenen mit ihr zu schreiben.

Störrische Nebencharaktere - April 5, 2012 by Susanne Gavénis

Bei der Aufstellung der Nebenfiguren entwickelten einige von ihnen klare Vorstellungen davon, auf welcher Seite sie stehen wollten, und die deckten sich gar nicht mit meiner Planung. So sollte es eigentlich Valerie Haver sein, die zusammen mit Mady auf Dannys Seite steht, während Jenn und Ellie gegen ihn opponieren. Doch als ich die erste Szene mit den vier Mädchen schrieb, in der sie von der Akademie zur Erdorbitalstation hinaufgeflogen werden, wurde schnell klar, dass Val und Mady ganz und gar nicht harmonierten, während Jenn mit ihrer lockeren Art durchaus gut zu Mady passte. Daher entschied ich mich dafür, den Figuren ihren Willen zu lassen, und letztlich war das zweifellos die richtige Entscheidung. Heute kann ich es mir selbst kaum noch anders vorstellen.

Zur Grundidee des Gambler-Zyklus - Februar 20, 2012 by Susanne Gavénis

Die Idee zum Gambler-Zyklus kam mir, als ich im Fernsehen eine Szene sah, bei der eine Flugzeugcrew einen Angriff auf ein vorher festgelegtes Ziel durchführte. Ich weiß leider nicht mehr, welche Sendung es genau war, aber letztlich ist das auch nicht mehr wichtig. Ich erinnere mich jedoch genau, dass ich von der eingespielten Effizienz des Teams fasziniert war, und so entstand in mir der Wunsch, auch über ein solches Team zu schreiben. Da die Geschichte natürlich auch konflikthaft sein sollte, entschied ich schnell, dass das Team nicht von Anfang an gut funktionieren durfte, sondern erst zusammenwachsen musste, und es lag nahe, die Gründe für die Anfangsschwierigkeiten in den Protagonisten Danny zu projizieren. Er sollte ein Außenseiter sein, jemand, dem man nicht gleich vertraut, auf den man jedoch im höchsten Maße angewiesen ist. Daher wurde Danny zu einer Person mit besonderen Fähigkeiten und wurde gleichzeitig von dem schlechten Ruf seiner Leute verfolgt.

Wie entstand die Grundidee? - Juli 28, 2011 by Susanne Gavénis

Es hat schon häufig Fantasy-Geschichten gegeben, in denen ein prophezeiter Held die Welt vor der sicheren Zerstörung retten musste. Je nach Zielsetzung des Autors gelang ihm dies oder auch nicht, eines jedoch ist jenen Geschichten stets gemein: Der Held ist nicht allein unterwegs, sondern stützt sich bei der Erfüllung seiner Mission auf Kameraden, die ihn begleiten, ihm helfen und oft sogar beschützen.
Nur selten erfahren jene Figuren jedoch große Anerkennung oder Aufmerksamkeit, und man könnte sogar den Eindruck gewinnen, ihr höchst möglicher Lohn bestünde darin, sich in einem letzten Akt der Ergebenheit für den Helden zu opfern. Diese „Randfiguren“ besitzen schon seit langem meine Sympathie, und letztlich wurde daraus der Wunsch geboren, eine Geschichte zu schreiben, in der nicht der prophezeite Held, sondern sein Begleiter und Beschützer im Mittelpunkt steht.
Daher ist der Roman „Shaans Bürde“ so konzipiert, dass Shaan über lange Zeit allein die Handlung trägt, während Deleja bis zum Schluss über die tatsächlichen Vorgänge im Unklaren ist und letztlich nur einen einzigen Kampf ausfechten muss, wohingegen Shaan über die gesamte Geschichte hinweg den mörderischen Zielen der Gegenseite Widerstand leisten muss.

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Susanne Gavénis

Susanne Gavénis

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