Dem einen oder anderen Leser mag es ein wenig befremdlich erscheinen, dass Andion eine so starke Abneigung gegen Eisen hat. Eine solche instinktive Abwehrreaktion auf die Gegenwart von metallischen Gegenständen wirkt seltsam und willkürlich, doch bei diesem Detail der Geschichte habe ich mich eng an die irischen Feen- und Elfensagen angelehnt. Dort wird den Elfen von je her eine Abneigung gegen Eisen und andere Metalle nachgesagt, und auch im Volksglauben selbst spiegelt sich diese Auffassung wider. So war es zum Beispiel früher in Irland Brauch, eine Feuerzange oder ein anderes Stück Eisen auf die Wiege eines Säuglings zu legen, um zu verhindern, dass die Elfen das Kind stehlen und gegen einen bösartigen Wechselbalg austauschen konnten. Ebenso war es möglich, den Zauberbann einer Fee durch die Berührung mit Eisen zu brechen oder sich auf diese Weise Zugang zu einem Feenhügel zu verschaffen.
Die schwierige Beziehung zwischen Elfen und Eisen lässt sich auf verschiedene Arten erklären. Die eine Deutung – der ich auch im „Wächter des Elfenhains“ gefolgt bin – favorisiert eine eher allgemeine soziologische Betrachtungsweise und sieht in der Abneigung der Elfen gegen Eisen ein Symbol für den Siegeszug der menschlichen Zivilisation, die die Natur und ihre Lebewesen mehr und mehr an den Rand drängt und ihrer Existenzgrundlage beraubt. In diesem Sinne stünde das Eisen stellvertretend für technologischen Fortschritt, Wissenschaft und Rationalität, die den Menschen immer stärker aus der ursprünglichen Einheit und Harmonie mit der ihn umgebenden Natur herausfallen lassen.
Die andere Deutungsrichtung ist mehr religionssoziologisch orientiert. Als symbolische Vertreter früher matriarchaler, d.h. von der Verehrung der „Großen Mutter“ geprägter, Religionen und Kulturen seien die Elfen, so wird angenommen, im Lauf der menschlichen Entwicklung vom männlichen Intellekt und der patriarchalen Gottesvorstellung unterworfen und letztlich ausgelöscht worden. Das „weibliche Prinzip“ musste dem eisernen Schwert des Mannes weichen, der rücksichtslos seine Vorstellungen von der Beherrschung und Manipulation der Welt durchgesetzt hat. In dieser Sichtweise ist die Antipathie der Elfen gegen Eisen Ausdruck eines Kampfes zweier fundamental verschiedener Religions- und Gottesauffassungen.
Wie viel symbolische Bedeutungen man tatsächlich aus den Feen- und Elfenmärchen herauslesen kann, ist natürlich eine schwierige Frage, die auch die Wissenschaft vermutlich niemals abschließend wird beantworten können. Auf alle Fälle sind die tief verwurzelten Überzeugungen des Volksglaubens, der sich seinerseits in einem ständigen kreativen Wandlungsprozess und Austausch mit den sich verändernden Lebensbedingungen der Menschen befindet, für jeden Fantasy-Autor eine stete und unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Und zumindest in der Fantasy sind die Elfen und Feen, allen eisernen Schwertern zum Trotz, immer noch sehr lebendig.
Vor ein paar Tagen fragte mich ein Leser, ob mir denn aufgefallen sei, dass „Wächter des Elfenhains“, was das Grundsetting der Geschichte angeht, eine erstaunliche Ähnlichkeit mit den Terminator-Filmen habe. Das war eine interessante Frage, da ich bei der Beschreibung des Antagonisten tatsächlich des öfteren das Bild des T-1000 vor Augen hatte, wie er gerade in vollem Spurt die Straße entlangrast, um John Connor auf dem fliehenden Motorrad zu erwischen. Mir war von Anfang an klar, dass Ogaire, der Bösewicht der Geschichte, sehr bedrohlich und unerbittlich wirken musste, vor allem, da er nur in einer Handvoll Szenen überhaupt mitspielt. Umso wichtiger war es, dass seine Präsenz in der Handlung für den Leser intensiv spürbar sein musste.
Durch meine Darstellung dieser Figur Assoziationen zu den Terminator-Filmen zu erzeugen, lag da tatsächlich nahe, denn bei kaum einer anderen Geschichte ist die Bedrohung des Protagonisten durch den Bösewicht derart schnörkellos und mit einer solchen Wucht inszeniert worden. Der T-1000 hat ein klares Ziel, das er kompromisslos verfolgt, und der gesamte Rest der Geschichte ordnet sich dieser Kompromisslosigkeit unter. Das gleiche Gefühl sollten auch die Leser des „Wächter des Elfenhains“ haben, wenn es um Ogaire ging. Von daher hatte mein Leser durchaus recht mit seinem Eindruck. Auch das Grundsetting selbst ist durchaus mit den Terminator-Filmen zu vergleichen: Ein jugendlicher Protagonist, der mit seiner Mutter auf der Flucht vor seinem Vater ist, der ihn erbarmungslos jagt und sich dabei nicht scheut, über Leichen zu gehen.
Was natürlich deutlich über dieses Grundsetting hinausgeht, ist der ganze Aspekt mit dem Elfenhain und der Anderswelt. Gerade die Suche Andions nach seiner eigenen Identität mitsamt der Konflikte, die sich daraus für ihn ergeben, war für mich eine zentrale Motivation, die Geschichte zu schreiben. Hier zeigt sich dann doch, dass ein Roman weitaus mehr Möglichkeiten bietet als ein Film, die Entwicklung einer Figur zu beschreiben, und hier enden auch die Gemeinsamkeiten zwischen dem „Wächter des Elfenhains“ und dem „Terminator“. Dennoch empfinde ich es als ein Kompliment, wenn sich die Leser bei ihrer Lektüre des Romans hin und wieder an Arnie und den guten alten T-1000 erinnert fühlen.
Als ich den Roman in der Planungsphase hatte, war mir eines völlig klar: Ich wollte eine Geschichte mit handtellergroßen, zierlichen Feenwesen schreiben. Doch als ich mit dieser Idee in das Brainstorming mit meinen beiden wichtigsten Probelesern ging, erwartete mich völlig überraschend heftiger Gegenwind. Kleine Feen seien doch zu märchenhaft (den wahren Wortlaut übergehe ich an dieser Stelle lieber) und nicht für eine ernst zu nehmende Geschichte geeignet. Zunächst einmal schweren Herzens schwenkte ich dann also auf die Darstellung menschengroßer Elfen um, doch es nagte lange Zeit an mir, dass ich mir meine ursprüngliche Idee hatte ausreden lassen.
Zum Glück ist es mir trotzdem gelungen, auch beim „Wächter des Elfenhains“ die Freude beim Schreiben zu finden, die mich überhaupt erst dazu motiviert, Geschichten zu Papier zu bringen. Es ist zwar nicht die Geschichte, die ich ursprünglich hatte erzählen wollen, doch durch die wohlvertraute Eigendynamik der Figuren wurde eine wirklich nette Story daraus – obwohl, wie ich zugeben muss, die besonders anfangs vorherrschende düstere Atmosphäre wohl meiner Trauer um die verloren gegangene Idee zuzuschreiben ist.
Und heute kann ich selbstbewusst sagen: Die Geschichte mit den zierlichen Feenwesen befindet sich noch in der Warteschleife. Aufgeschoben ist eben nicht aufgehoben.
Relaunch Juni 2018, Fantasy-Roman
Von der Welt der Menschen durch einen Nebel aus Zeit und Raum getrennt, existiert die Anderswelt – das Reich der Elfen und Feen. Doch anders als früher haben die Elfen längst jedes Interesse an den Geschicken der Menschen verloren, und Verachtung und Misstrauen haben in ihre Herzen Einzug gehalten.
Da erwächst aus ihren eigenen Reihen eine Gefahr, mit der niemand gerechnet hätte: Ogaire, Nachkomme einer mächtigen Elfenfamilie, vergiftet das Herz des Elfenwaldes und flieht in die Menschenwelt, um dort seine finsteren Pläne weiter voranzutreiben.
Während das Ende des Elfenvolkes unabwendbar scheint, wächst an einem anderen Ort ein Kind mit merkwürdigen Fähigkeiten heran: Andion, der seit dem Tag seiner Geburt mit seiner Mutter auf der Flucht ist – auf der Flucht vor seinem Vater.
Ein gnadenloses Duell mit seinem unheimlichen Verfolger entbrennt, und schnell begreift Andion, dass die einzige Hoffnung auf Rettung ausgerechnet in den Märchen seiner Kindheit liegt – und dass sein eigenes Schicksal und das der Elfen enger miteinander verbunden sind, als er je zu träumen gewagt hat.
Leseprobe: Wächter des Elfenhains
Es handelt sich bei diesem Roman um eine Elfengeschichte der etwas dunkleren Art, die zum Teil in der von irischen Feenmärchen inspirierten Anderswelt und zum Teil in der Menschenwelt spielt.
Hörprobe:
Das Coverbild erstellte der Künstler Uwe Schaaf.
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