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Month: November 2015
Konsequenz vs. Feigheit - November 22, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinVor ein paar Tagen hatte ich eine interessante Diskussion mit einem meiner Probeleser. Anlass war das Staffelfinale von den „100“, das am Mittwoch Abend im Fernsehen lief. Was meinen Probeleser ebenso wie auch mich beeindruckt hat, war die Unerbittlichkeit, mit der die Figuren mit den Konsequenzen ihrer Entscheidungen konfrontiert worden sind. Mord, Tod und moralische Schuld wurden in keinster Weise durch irgendwelche windigen Drehbuchentscheidungen abgemildert, und die Figuren mussten durchgängig mit den Folgen ihrer Taten leben (bis hin zum Massenmord in der letzten Folge der Staffel).

Aus der Sicht eines Autors kann ich eine solche harte Gangart bei der Konzeption von Geschichten nur begrüßen, da ich mich sowohl als Leser als auch als Zuschauer schon öfters über Bücher und Filme geärgert habe, die nicht müde wurden, ihre Protagonisten in dramatische und bedrohliche Situationen zu werfen, aus denen sie eigentlich nur mit äußerster Brutalität und Härte wieder hätten entkommen können – was natürlich deutliche Spuren und Kratzer in der Psyche dieser Figuren hätte hinterlassen müssen, die vielleicht nicht immer dem stromlinienförmigen Massengeschmack entsprochen hätten, aber realistisch und psychologisch glaubwürdig gewesen wären. Stattdessen aber hat der Autor seinen Figuren immer wieder genau die glücklichen Zufälle vor die Füße fallen lassen, die es ihnen ermöglichten, sich psychologisch unversehrt und mit moralisch weißer Weste selbst aus der übelsten Klemme wieder zu befreien.

Eines der krassesten Beispiele in dieser Hinsicht ist für mich der erste „Tribute von Panem“-Film (die Bücher habe ich nicht gelesen), wo sich so gut wie alle Jugendlichen während der „Hunger Games“ bereits in den ersten paar Minuten nach Spielbeginn in skrupellose Killer verwandeln – was ja auch realistisch ist, bedenkt man, dass nur derjenige, der am Ende als Letzter überlebt, frei gelassen wird. Nur der guten Katniss gelingt es auf wundersame Weise, trotz des einen oder anderen Mords moralisch untadelig zu bleiben, da das Drehbuch jede Situation für sie immer wieder so hinbiegt, dass es ja eigentlich „gar kein richtiger Mord“ war (so wie bei den anderen Jugendlichen, die sich barbarisch abschlachten). Das näher auszuführen, würde jetzt leider zu weit führen. Verglichen mit den „100“ wirkt der erste Tribute von Panem-Film durch diese Handlungskonzeption psychologisch enorm scheinheilig auf mich, und ich freue mich über jede Geschichte, bei der der Autor den Mut hat, für die Figuren nicht nur gefährliche Situationen zu erfinden, sondern die Figuren auch entsprechend den Notwendigkeiten dieser Situationen entscheiden und handeln zu lassen – mit allen psychologischen und moralischen Konsequenzen, die damit einhergehen. Oder – um es in den Worten des Autors eines bekannten Schreibratgebers zu sagen: Der größte Feind eines Autors ist die Feigheit. Dem schließe ich mich an.

Vom Buch zur Serie (The Strain) - November 8, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinEs ist immer wieder interessant zu sehen, wie sich Fernsehen und Roman voneinander unterscheiden. Gerade habe ich mir die letzten beiden Folgen der Serie „The Strain“ angeschaut, die noch auf meinem Festplattenreceiver darauf gewartet haben, von mir konsumiert zu werden. Die Vampir-Trilogie von Guillermo Del Toro – der ja bisher lediglich als Regisseur von Filmen wie „Hellboy“ in Aktion getreten ist – hatte ich bereits vor ein paar Jahren gelesen, weil mich die Idee interessiert hatte (ein Vampir-Virus breitet sich über die ganze Welt aus), und so war ich neugierig auf die Fernsehserie, die daraus hervorgegangen ist.

Die Romane hatten mir ja vom Beginn der Trilogie bis zu ihrem Ende immer weniger gefallen, weil sich die Szenen in meinen Augen zunehmend mehr von einer literarischen Erzählung entfernt und einen oberflächlich auf Action getrimmten Drehbuchcharakter angenommen hatten (etwa wenn einer der Helden von einem mit Vampiren besetzten und mit einem MG bestückten Hubschrauber durch die Straßen gehetzt wird und sich mit einem eleganten Salto hinter eine Mauer rettet, während die Kugeln links und rechts in den Asphalt einschlagen). Meine Vermutung, dass sich die Geschichte aus diesem Grund als Fernsehserie besser machen würde, hat sich zumindest in der ersten Staffel bewahrheitet.

Was ich allerdings bemerkenswert fand, war die Entscheidung der Serienmacher, eine der Haupt-Nebenfiguren der Romane (die demente Mutter einer der Protagonistinnen), die es in den Büchern immerhin bis in den dritten Band geschafft hat, bevor sie in einer der Vampir-Molkereien in den Bottich gewandert ist, bereits in der vorletzten Folge der ersten Staffel umzubringen – was gerade mal dem letzten Drittel des ersten Buchs entspricht.

Die etwas verwirrte alte Dame hatte mich bei meiner Lektüre zugegebenermaßen auch ein wenig genervt, da (auch wenn sie natürlich nichts dafür konnte) die Spannung und die dramatischen Komplikationen im Story-Verlauf der Romane immer wieder durch dieselbe Ausgangssituation herbeigeführt wurden – unsere Helden sind für eine Sekunde unaufmerksam, und schon ist die gute Frau ausgebüxt und irrt durch die vampirverseuchten U-Bahn-Tunnel – was wiederum eine actionreiche Rettungsaktion nach sich zieht.

Was mich aus der Sicht eines Autors daran gestört hat, war die Beliebigkeit dieser Szenen – letztlich war es egal, was an Entwicklung gerade davor oder danach passiert oder an welcher Stelle der Geschichte es geschehen ist. Es war immer wieder derselbe deus-ex-machina, der Spannung erzeugen sollte. Dass es für einen pflegenden Angehörigen, dem gerade seine demente Mutter oder sein dementer Vater verlustig gegangen ist, ein Albtraum ist, auf der Suche nach ihnen die Umgebung zu durchforsten, ist ganz klar. In einer Spannungsgeschichte allerdings machen demente Herren und Damen offenbar nicht wirklich eine gute Figur und sind einer stringenten Storyführung eher hinderlich als förderlich.

Ich kann nur vermuten, dass dies auch die Überlegungen der Drehbuch-Autoren der Fernseh-Serie gewesen sind. Wie konsequent und frühzeitig sie die alte Frau aus der Geschichte geworfen haben, finde ich schon bemerkenswert. Dafür ist jetzt eine junge Computer-Hackerin mit im Heldenteam, die es in den Büchern gar nicht gab. Auch über diese Drehbuch-Entscheidung kann man trefflich philosophieren.

Susanne Gavénis

Susanne Gavénis

Wenn Sie mehr über mich erfahren möchten, erzähle ich Ihnen gern von meinem Leben, und warum ich schreibe. Natürlich können Sie auch Kontakt mit mir aufnehmen. Vielen Dank.