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Month: Februar 2015
Klassisch konzipiert - Februar 24, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinNachdem ich das letzte Mal so auf dem neuen Roman von Clive Barker herumgehackt habe, möchte ich heute mal ein paar Worte zu einer Geschichte sagen, die mich rundum zufrieden gestimmt und auf eine sehr positive Weise überrascht hat. Die Rede ist von einem meiner Lieblingsbücher der letzten Jahre (eigentlich sind es sogar drei), und zwar von der „Ich bin kein Serienkiller“-Trilogie von Dan Wells.

Hier zeigt sich, dass man auch extreme Figuren auf eine Art beschreiben kann, die bei dem Leser Sympathie und Mitgefühl weckt, wenn nur der innere Konflikt des Protagonisten und sein Ringen damit plausibel genug geschildert werden. Die Hauptfigur, der 16jährige John Cleaver, bemerkt an sich selbst alle alarmierenden Anzeichen einer soziopathischen Persönlichkeitsstörung und versucht mit rigoroser Selbstreflektion und einem unerbittlichen Verhaltensplan, den er zusammen mit seinem Psychotherapeuten aufgestellt hat, diese soziopathischen Impule in Zaum zu halten.

Das gelingt so weit ganz gut, bis in der Kleinstadt, in der er lebt, die ersten Morde beginnen und schnell klar wird, dass ein Serienkiller am Werk ist. Mit seinem besonderen Gespür für diese Art des (gestörten) Denkens gelingt es John tatsächlich, den Täter aufzuspüren, und er versucht auf eigene Faust, ihn aufzuhalten – wobei immer deutlicher wird, dass ihm das nur gelingen kann, wenn er sein eigenes Monster von der Kette lässt (wie er es selbst nennt).

Dieser Balanceakt zwischen dem immer drohenden Sturz in den eigenen soziopathischen Abgrund und dem Festhalten an seinem persönlichen Moral- und Wertekodex macht für mich den Reiz und das Besondere dieser Bücher aus, und es ist bemerkenswert, wie es Dan Wells schafft, Johns Kampf mit seinen inneren Dämonen auf eine Weise darzustellen, dass mir der Protagonist trotz seiner entschieden grenzwertigen Persönlichkeit niemals unsympathisch war. Das liegt sicherlich daran, dass die Figur zu diesen destruktiven Anteilen ihrer Persönlichkeit klar Stellung bezieht und stets versucht, niemandem zu schaden. Einen krasseren inneren Konflikt als hier habe ich tatsächlich noch in keinem einzigen Roman gelesen, und es ist schön, dass der gute John im Laufe der drei Bände eine ganz eindeutige Entwicklung durchläuft und ich das Gefühl habe, dass der Autor sowohl seine Geschichte als auch seine Hauptfigur zu jedem Zeitpunkt vollkommen im Griff hatte.

Für meinen persönlichen Lesegeschmack kommt noch positiv hinzu, dass das Element des Übersinnlichen und Phantastischen in den Romanen zunehmend stärker wird. Die Serienkiller (d.h. der Antagonist aus dem ersten Band und seine Kumpel) entpuppen sich mehr und mehr als Wesen, die Fähigkeiten besitzen, die über das normale menschliche Maß deutlich hinausgehen – was einige Leser, die gewöhnliche Thriller erwartet haben, sehr enttäuscht und verärgert hat, für mich aber das Salz in der Suppe war, da dadurch für die Hauptfigur alles noch viel gefährlicher geworden ist und noch mehr auf dem Spiel stand. Wer also mal – in meinen Augen – richtig gute Geschichten lesen möchte, dem kann ich Dan Wells mit seinem potenziellen Serienkiller-Teenie John Cleaver nur wärmstens empfehlen.

Lesefrust - Februar 22, 2015 by Susanne Gavénis

INI_Logo_kleinSeufz! Manchmal ist es ein wenig frustrierend, Geschichten zu lesen, die man nicht selbst geschrieben hat. Das eine oder andere Mal kommt es vor, dass mir ein Roman von der Grundidee her sehr gut gefällt, die Figuren sympathisch sind und sich die Handlung für meinen Lesegeschmack in die richtige Richtung entwickelt, und dann – Peng! – wird das Ganze plötzlich zu einer Geschichte, bei der mich das kalte Grausen packt und ich mir wünschte, ich selbst wäre der Autor gewesen.

So geschehen beim aktuellen Buch von Clive Barker (der ja ohnehin schwer einzuordnen ist, da er nach seiner krassen Horror-Kurzgeschichtensammlung „Die Bücher des Blutes“ auch gerne mal Kinderbücher schreibt und sich thematisch offenbar nicht wirklich auf bestimmte Genres festlegen möchte).
Hauptfigur des Romans ist ein kleiner Dämon, der in der Hölle von allen anderen Dämonen gemobbt wird, weil er sich dem ganzen fiesen Gesindel nicht wirklich zugehörig fühlt und zudem noch unter der Grausamkeit seines Vaters leiden muss – ein klassisches Underdog-Szenario, das mir immer gut gefällt, weil es eine Menge Entwicklungsmöglichkeiten für den Protagonisten gestattet. Besagter Dämon flieht irgendwann vor einem besonders brutalen Angriff seines Vaters in die Menschenwelt (das mittelalterliche Europa), nur um zu erkennen, dass alle Menschen Angst vor ihm haben und er unter den Menschen genauso ein Ausgestoßener ist wie in der Hölle (der Konflikt für den Helden verschärft sich also, er wird durch die Ereignisse auf die Probe gestellt).

Bis hierher hat mir die Geschichte gut gefallen, da es im Grunde ein Szenario ist, das meinen eigenen Roman- und Figurenkonzeptionen sehr ähnlich ist. Hätte ich die Geschichte geschrieben, würde es jetzt so weitergehen, dass der kleine Dämon auf Menschen trifft, bei denen er allmählich lernt, sich selbst zu akzeptieren und wertzuschätzen, und am Ende in der Menschenwelt einen Platz für sich findet. Das wäre durchaus konflikthaft und schwierig für den kleinen Kerl geworden, aber seine Entwicklungsrichtung wäre für mich klar gewesen.

Im Buch indes kommt unserem Helden irgendwann die Erleuchtung, dass er zum wahren Dämon werden will, und er tut dies, indem er fortan so gemein und grausam zu allen Menschen ist, wie er nur kann – was auch Mord ohne die geringste Reue mit einschließt. Schließlich wird er von Johannes Gutenbergs magischer Druckerpresse in ein Buch verbannt, in dem er voraussichtlich bis zum Sankt Nimmerleins-Tag auf seine Befreiung warten kann. Ende der Geschichte.

Das ist für mich derart unbefriedigend, dass ich das Buch am liebsten aus dem nächsten Fenster geworfen hätte, und ich habe das Gefühl, dass der Autor eine gute Grundidee und einen interessanten Hauptcharakter völlig gegen die Wand gefahren hat. Nach solchen Geschichten weiß ich immer, warum ich selbst schreibe. Dann kann ich die Geschichte so ausgehen lassen, wie es mir gefällt. Das hat zuweilen seine Vorteile.

Susanne Gavénis

Susanne Gavénis

Wenn Sie mehr über mich erfahren möchten, erzähle ich Ihnen gern von meinem Leben, und warum ich schreibe. Natürlich können Sie auch Kontakt mit mir aufnehmen. Vielen Dank.