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Month: November 2014
Über Prophezeiungen - November 30, 2014 by Susanne Gavénis

Mit Prophezeiungen ist es wie mit Schrödingers Katze – solange man nicht hineinschaut, weiß man nie, was in der Kiste ist. Wird einem ein langes und glückliches Leben vorausgesagt, oder lauert der Tod bereits hinter der nächsten Ecke? Die Antwort auf diese Fragen hat die Menschen von je her fasziniert, und viele Propheten und Zukunftsseher haben versucht, mit der Kraft ihrer visionären Gabe einen Blick hinter den Vorhang zu werfen und dem Mysterium der Zeit ein paar seiner Geheimnisse zu entlocken – oder es zumindest behauptet.

Sei es das berühmte Orakel von Delphi, dessen schrecklicher Prophezeiung ein junger Mann namens Ödipus verzweifelt zu entfliehen versucht (was ihm am Ende, wie wir alle wissen, eher weniger gut gelingt), oder die kryptischen Visionen eines Nostradamus, deren Deutung viele Gelehrte bis heute beschäftigt – immer geht es darum, ein Licht zu entzünden und den Weg zu erhellen, der vor einem in die Dunkelheit führt, um vielleicht auf diese Weise einigen seiner Gefahren und Fallstricke entgehen zu können, die den unwissenden Wanderer ansonsten unwiderruflich zu Boden gestreckt hätten.

Doch mit jeder Prophezeiung, egal wie behutsam oder mit wie viel Absolutheitsanspruch sie auch verkündet werden mag, ist untrennbar verbunden die alte Frage nach der Henne und dem Ei. Erblickt der Prophet eine Zukunft, in der die Ereignisse, die einem Menschen widerfahren, bereits seit dem Moment seiner Geburt wie die Schauspieler in einem Theaterstück darauf warten, zum richtigen Zeitpunkt hinaus auf die Bühne zu treten, oder werden durch die Prophezeiung die Weichen gestellt, die diese Ereignisse überhaupt erst möglich machen? Denn ist eine Prophezeiung erst einmal ausgesprochen, wird sie zu einem Teil des Lebens eines Menschen, und er wird gezwungen, in irgendeiner Form darauf zu reagieren. Was er aber auch immer damit zu tun gedenkt – ob er sie in den hintersten Winkel seines Bewusstseins verbannt oder all seine Kraft darin investiert, sie zu verhindern oder Wirklichkeit werden zu lassen – , eines kann er nicht vermeiden: Die Worte des Sehers oder Orakels haben ihn verändert, haben sein Denken, Fühlen und Handeln auf eine Weise beeinflusst, die etwas Neues in sein Leben gebracht hat, was es ohne sie niemals gegeben hätte. Nicht umsonst gibt es in der Psychologie den Begriff der selbsterfüllenden Prophezeiung. In seinem verzweifelten Bemühen, einem prophezeiten Unfall zu entgehen, führt ein Mensch durch seine panischen Aktivitäten genau diesen Unfall erst herbei. Was aber war letztlich die Ursache und was die Folge?

Diese Frage berührt einen weiteren Aspekt, der eng mit Prophezeiungen jeder Art verknüpft ist, nämlich das Thema der Willensfreiheit und des Determinismus. Steht das Schicksal eines Menschen bereits von Beginn an unverrückbar fest und arbeitet er die Ereignisse, die ihm auf seinem Lebensweg begegnen, in der Rolle eines letztlich passiven Zuschauers lediglich Schritt für Schritt ab, ohne sie jedoch selbst verändern oder ihnen ausweichen zu können, oder ist jeder selbst seines Glückes Schmied, und einzig die eigene Persönlichkeit und die eigenen Anstrengungen entscheiden darüber, was aus dem unendlichen Feld der Möglichkeiten schließlich Realität wird? Oder sind die Ereignisse als solche zwar vorbestimmt, können aber beeinflusst oder ganz verhindert werden, sobald man um ihr Eintreten in der Zukunft weiß? In einem solchen Fall würden Determinismus und Willensfreiheit Hand in Hand gehen, und die Prophezeiung würde von einem unbarmherzigen Richtspruch der Götter oder des Universums zu einem Werkzeug, das, auf die richtige Weise benutzt, viel Gutes bewirken könnte.

Was aber geschieht, wenn das Eintreffen einer Prophezeiung zwar abgewendet werden kann, die Persönlichkeit des Menschen, dem das Ereignis vorausgesagt wurde, dadurch jedoch in seinen und den Augen aller anderen in einem so verabscheuungswürdigen Licht erscheint, dass sein Leben trotzdem dauerhaft beeinträchtigt ist? So ergeht es Dayin, dem Protagonisten der Gwailor-Chronik, dem bei seiner Geburt geweissagt wird, er werde seinen Vater, den König, als junger Mann heimtückisch ermorden. Eine solche Prophezeiung – gleichgültig, ob sie nun eintritt oder nicht – sagt etwas derart Fundamentales über den Charakter des Menschen aus, der zu einer solchen Heimtücke in der Zukunft fähig sein wird, dass mit dem Abwenden des schrecklichen Ereignisses die Probleme noch lange nicht aufhören. Die Eltern eines solchen Kindes müssen von nun an mit dem Gefühl leben, einen potenziellen Mörder heranwachsen zu sehen, der zusammen mit ihnen unter einem Dach wohnt. Die psychologischen Konsequenzen eines derartigen Wissens sind überhaupt nicht absehbar, in jedem Fall aber für die Beziehung zwischen Eltern und Kind verheerend. Hinzu kommt, dass auch das Kind kaum eine andere Möglichkeit besitzt, als sich dieses Bild, das alle anderen in seiner Umwelt von ihm haben, ebenfalls zu eigen zu machen, vor allem, wenn es in einem Alter damit konfrontiert wird, in dem es darauf angewiesen ist, seine eigene Identität in den Augen seiner Eltern gespiegelt und bestätigt zu sehen.

Die Frage ist, ob es einem Menschen unter diesen Bedingungen überhaupt gelingen kann, ein Gefühl für sich selbst und seine individuelle Wesensart zu entwickeln und gegen die machtvolle Fremddefinition einer Prophezeiung aufrecht zu erhalten, die keinen Zweifel daran lässt, dass er irgendwann zu einem Mörder geworden wäre, auch wenn er im Moment noch selig mit seiner Mutter die Entenküken füttert. Dieses Ringen um Identität und der Kampf gegen Selbstzweifel und innere Zerrissenheit sind das Thema der Geschichte um Prinz Dayin und Prinzessin Lilell. Es ist eine Geschichte, in der die Seherinnen der beiden Königreiche Gwailors über eine absolute und nahezu göttergleiche Macht verfügen, die weder Bauer noch König jemals in Frage stellen. Wie es ist, in eine solche Welt hineingeboren zu werden, in der der Einfluss von Prophezeiungen auf das Leben der Menschen so allgegenwärtig wie bestimmend ist, und dabei trotzdem seine eigene Persönlichkeit nicht aus dem Blick zu verlieren, war die Frage, die mich beim Schreiben der Gwailor-Chronik am meisten fasziniert hat.

Die Elfen und das Eisen - November 14, 2014 by Susanne Gavénis

Dem einen oder anderen Leser mag es ein wenig befremdlich erscheinen, dass Andion eine so starke Abneigung gegen Eisen hat. Eine solche instinktive Abwehrreaktion auf die Gegenwart von metallischen Gegenständen wirkt seltsam und willkürlich, doch bei diesem Detail der Geschichte habe ich mich eng an die irischen Feen- und Elfensagen angelehnt. Dort wird den Elfen von je her eine Abneigung gegen Eisen und andere Metalle nachgesagt, und auch im Volksglauben selbst spiegelt sich diese Auffassung wider. So war es zum Beispiel früher in Irland Brauch, eine Feuerzange oder ein anderes Stück Eisen auf die Wiege eines Säuglings zu legen, um zu verhindern, dass die Elfen das Kind stehlen und gegen einen bösartigen Wechselbalg austauschen konnten. Ebenso war es möglich, den Zauberbann einer Fee durch die Berührung mit Eisen zu brechen oder sich auf diese Weise Zugang zu einem Feenhügel zu verschaffen.

Die schwierige Beziehung zwischen Elfen und Eisen lässt sich auf verschiedene Arten erklären. Die eine Deutung – der ich auch im „Wächter des Elfenhains“ gefolgt bin – favorisiert eine eher allgemeine soziologische Betrachtungsweise und sieht in der Abneigung der Elfen gegen Eisen ein Symbol für den Siegeszug der menschlichen Zivilisation, die die Natur und ihre Lebewesen mehr und mehr an den Rand drängt und ihrer Existenzgrundlage beraubt. In diesem Sinne stünde das Eisen stellvertretend für technologischen Fortschritt, Wissenschaft und Rationalität, die den Menschen immer stärker aus der ursprünglichen Einheit und Harmonie mit der ihn umgebenden Natur herausfallen lassen.

Die andere Deutungsrichtung ist mehr religionssoziologisch orientiert. Als symbolische Vertreter früher matriarchaler, d.h. von der Verehrung der „Großen Mutter“ geprägter, Religionen und Kulturen seien die Elfen, so wird angenommen, im Lauf der menschlichen Entwicklung vom männlichen Intellekt und der patriarchalen Gottesvorstellung unterworfen und letztlich ausgelöscht worden. Das „weibliche Prinzip“ musste dem eisernen Schwert des Mannes weichen, der rücksichtslos seine Vorstellungen von der Beherrschung und Manipulation der Welt durchgesetzt hat. In dieser Sichtweise ist die Antipathie der Elfen gegen Eisen Ausdruck eines Kampfes zweier fundamental verschiedener Religions- und Gottesauffassungen.

Wie viel symbolische Bedeutungen man tatsächlich aus den Feen- und Elfenmärchen herauslesen kann, ist natürlich eine schwierige Frage, die auch die Wissenschaft vermutlich niemals abschließend wird beantworten können. Auf alle Fälle sind die tief verwurzelten Überzeugungen des Volksglaubens, der sich seinerseits in einem ständigen kreativen Wandlungsprozess und Austausch mit den sich verändernden Lebensbedingungen der Menschen befindet, für jeden Fantasy-Autor eine stete und unerschöpfliche Quelle der Inspiration. Und zumindest in der Fantasy sind die Elfen und Feen, allen eisernen Schwertern zum Trotz, immer noch sehr lebendig.

Die Elfen und der Terminator - November 2, 2014 by Susanne Gavénis

Vor ein paar Tagen fragte mich ein Leser, ob mir denn aufgefallen sei, dass „Wächter des Elfenhains“, was das Grundsetting der Geschichte angeht, eine erstaunliche Ähnlichkeit mit den Terminator-Filmen habe. Das war eine interessante Frage, da ich bei der Beschreibung des Antagonisten tatsächlich des öfteren das Bild des T-1000 vor Augen hatte, wie er gerade in vollem Spurt die Straße entlangrast, um John Connor auf dem fliehenden Motorrad zu erwischen. Mir war von Anfang an klar, dass Ogaire, der Bösewicht der Geschichte, sehr bedrohlich und unerbittlich wirken musste, vor allem, da er nur in einer Handvoll Szenen überhaupt mitspielt. Umso wichtiger war es, dass seine Präsenz in der Handlung für den Leser intensiv spürbar sein musste.

Durch meine Darstellung dieser Figur Assoziationen zu den Terminator-Filmen zu erzeugen, lag da tatsächlich nahe, denn bei kaum einer anderen Geschichte ist die Bedrohung des Protagonisten durch den Bösewicht derart schnörkellos und mit einer solchen Wucht inszeniert worden. Der T-1000 hat ein klares Ziel, das er kompromisslos verfolgt, und der gesamte Rest der Geschichte ordnet sich dieser Kompromisslosigkeit unter. Das gleiche Gefühl sollten auch die Leser des „Wächter des Elfenhains“ haben, wenn es um Ogaire ging. Von daher hatte mein Leser durchaus recht mit seinem Eindruck. Auch das Grundsetting selbst ist durchaus mit den Terminator-Filmen zu vergleichen: Ein jugendlicher Protagonist, der mit seiner Mutter auf der Flucht vor seinem Vater ist, der ihn erbarmungslos jagt und sich dabei nicht scheut, über Leichen zu gehen.

Was natürlich deutlich über dieses Grundsetting hinausgeht, ist der ganze Aspekt mit dem Elfenhain und der Anderswelt. Gerade die Suche Andions nach seiner eigenen Identität mitsamt der Konflikte, die sich daraus für ihn ergeben, war für mich eine zentrale Motivation, die Geschichte zu schreiben. Hier zeigt sich dann doch, dass ein Roman weitaus mehr Möglichkeiten bietet als ein Film, die Entwicklung einer Figur zu beschreiben, und hier enden auch die Gemeinsamkeiten zwischen dem „Wächter des Elfenhains“ und dem „Terminator“. Dennoch empfinde ich es als ein Kompliment, wenn sich die Leser bei ihrer Lektüre des Romans hin und wieder an Arnie und den guten alten T-1000 erinnert fühlen.

Susanne Gavénis

Susanne Gavénis

Wenn Sie mehr über mich erfahren möchten, erzähle ich Ihnen gern von meinem Leben, und warum ich schreibe. Natürlich können Sie auch Kontakt mit mir aufnehmen. Vielen Dank.