Grundzüge des Charakters wurden bereits durch die Entwicklung von Pol zu Pol abgesteckt, in der Biografie muss man zu diesen groben Eckpunkten den Feinschliff hinzufügen. Dabei sollten folgende Fragen wichtig sein:

1. Welche grundlegenden Einstellungen besitzt der Charakter?

Dies ergibt sich meist direkt aus der Prämisse und der Entwicklung von Pol zu Pol.

2. Warum besitzt er diese Einstellungen? Welche Ereignisse in seiner Vergangenheit haben sie ihm eingeprägt?

Es geht hier also darum, Schlüsselereignisse in der Biografie eines Protagonisten zu formulieren. Bei unserem Beispiel könnten das Erlebnisse des Charakters sein, die ihn Technik als absoluten Problemlöser und Heilsbringer haben erleben lassen. Ob diese Ereignisse in der Geschichte direkt oder nur aus der Retrospektive beschrieben werden, muss man dann später noch entscheiden, doch der Autor muss diese Ereignisse kennen, damit er den Charakter durchgängig stimmig beschreiben kann.

3. Welches Umfeld besitzt der Charakter?

Darüber muss man sich bei der Formulierung der Biografie ohnehin Gedanken machen. Gemeint sind hier vor allem alle Aspekte des menschlichen Zusammenlebens, die auf den Charakter einwirken, also die Einflüsse anderer Menschen (Familie, Freunde, Kollegen etc.), seine gesellschaftliche Stellung, die Beschaffenheit der Gesellschaft, Religion oder ihr Fehlen, Reichtum oder Armut, Ideologien, Technologie und ihre Bedeutung in der Gesellschaft, historische Einbettung etc.. Nicht jedes Umfeld eignet sich, wenn man eine bestimmte Prämisse verfolgen möchte. So kann man die Prämisse „Zu sehr auf Technik zu vertrauen, führt zum Untergang“ relativ schwierig umsetzen, wenn man als Umfeld des Charakters eine Gesellschaft wählt, in der durch Fortschritt und Technik gerade grundlegende Probleme wie Armut, Kindersterblichkeit und Umweltverschmutzung gelöst werden (schwierig, aber nicht unmöglich).

Grundsätzlich kann man sagen, dass man für die Beantwortung dieser Fragen eine Menge Hintergrundinformationen über die Welt, die man in seiner Geschichte erschaffen möchte, zusammentragen muss. Besonders über Kernpunkte, die die Prämisse und damit auch den Protagonisten direkt betreffen, muss man sich als Autor selbst im Klaren sein. Man muss also klären, wie die Welt und die Gesellschaft, in der der Charakter lebt, strukturiert sind, welche Naturgesetze (oder magische Gesetze) es gibt und welche grundsätzlichen Möglichkeiten diese Welt bietet.

4. Welche grundlegenden Konflikte, Ängste, Einschränkungen besitzt der Charakter? Wie groß ist seine Befähigung, mit ihnen umzugehen?

Wie die Fragen schon vermuten lassen, muss man seinen Charakter quasi auf die Psychiater-Couch legen, wobei der Autor die Rolle des Therapeuten besitzt. Um einen Charakter stimmig beschreiben zu können, muss man ein Psychogramm von ihm erstellen, d.h. man muss wissen, was ihn antreibt, wo er zurückzuckt, welche Handlungskapazität er besitzt und welche Grenzen er überwinden kann und welche nicht. Zudem muss man im Blick behalten, wie sich diese Aspekte im Laufe der Geschichte entwickeln und welche Grundzüge des Charakters von der Entwicklung von Pol zu Pol besonders betroffen sind. Hier ist ein gewisses psychologisches Geschick gefragt.

5. Welche Fähigkeiten und Besonderheiten besitzt der Charakter?

Hier geht es um die konkreten Befähigungen des Charakters, bestimmte Arbeiten oder Aufgaben zu erledigen. Kann er z.B. Lesen und Schreiben, kann er zaubern, ist er ein guter Reiter etc.. Wichtig ist natürlich auch, was der Charakter im Vergleich zu Menschen aus seinem Umfeld nicht kann.

6. Wie sieht der Charakter aus? Wie heißt er?

Zum Teil hängt dies bereits mit den Fähigkeiten des Charakters zusammen, ein Spitzen-Athlet z.B. hat nicht nur bestimmte Fähigkeiten, sondern auch einen dazu passenden Körperbau. Aber auch das grundsätzliche Erscheinungsbild des Charakters und nicht zuletzt sein Name sollten zum psychologischen Profil des Charakters passen oder einen interessanten Kontrast schaffen, z.B. ein stiernackiger Hüne mit Namen Ivan, der kleine Glasfiguren erstellt und sich davor fürchtet, mit anderen Menschen zu sprechen, während jeder, der ihn nicht kennt, ihn allein aufgrund seiner körperlichen Größe fürchtet.

Aufgaben:

1. Erstellen Sie für eine Prämisse Ihrer Wahl eine Charakterbiografie. Sie könnendabei die Blätter „Charakterbogen“ und „Protagonist“ als Hilfestellung benutzen. Oft kommt man nicht umhin, sich an dieser Stelle auch einige Gedanken über die Konzeption wichtiger Nebenfiguren zu machen. Grundsätzlich sollten Nebenfiguren dazu dienen, den Konflikt des Protagonisten zu verstärken oder ihm dabei helfen, ihn zu lösen.

2. Überlegen Sie sich, welche Informationen Sie über die Welt geben müssen, in der Ihre Geschichte spielen soll. Bei fantastischen Welten sollte man nicht wahllos alle möglichen Fakten kreieren, sondern immer die Geschichte und den Protagonisten im Blick behalten und sich fragen, wie die Welt beschaffen sein muss, damit man die Geschichte der Hauptfigur bestmöglich erzählen kann. Weniger ist dabei oft mehr.

Download der Übung als PDF: Grundlagen der Konzeption 3