Bei meiner derzeit in Arbeit befindlichen Science-Fiction-Trilogie wurde ich schon recht früh in meiner Planungsphase mit einem kleinen Problem konfrontiert, für das ich – wollte ich mir nicht später von meinen Lesern zurecht eine allzu große Vereinfachung vorwerfen lassen – eine plausible Lösung finden musste. In der Geschichte geht es um ein Sternenreich, das sich in einem erbitterten Krieg mit einer unbekannten raumfahrenden Rasse befindet. Dieses Sternenreich versucht verzweifelt, seine kolonisierten Planeten und Sonnensysteme vor feindlichen Angriffen zu schützen. Dabei stellte sich mir die Frage, was denn diesen unbekannten Gegner davon abhalten sollte, einfach mit seiner gesamten Flotte in ein bewohntes System nach dem anderen zu springen und mit einem massierten Feuerschlag alle wichtigen Planeten der Reihe nach in Schutt und Asche zu legen.

Die Dimensionen und Entfernungen im Weltraum sind ja so gewaltig, dass in meinen Augen auch ein technisch hochzivilisiertes Volk keine Chance hätte, ganze Planeten oder Sonnensysteme effektiv verteidigen zu können, wenn die feindlichen Schiffe bis dicht an den Planeten heranspringen und sofort das Feuer eröffnen würden. Das ist ein Problem, das auch in vielen Science-Fiction-Romanen und -Filmen oft einfach ausgeblendet wird, und stillschweigend werden normale irdische Vorstellungen auf einen Kampf im Weltraum übertragen. Allerdings ist ein Sonnensystem etwas anderes als eine Burg, der man mit Belagerungsmaschinen und Infanterie zu Leibe rückt, und die Beschreibung einer Weltraumschlacht muss andere physikalische Parameter berücksichtigen, um nicht von vornherein unglaubwürdig zu sein.

Zur Lösung dieses Problems habe ich die Reisedimensionen, durch die sich ein Raumschiff bei einem interstellaren Flug bewegen muss, mit bestimmten Gesetzmäßigkeiten ausgestattet. Zum einen ist die Fortbewegung innerhalb dieser Dimensionen von der Masse des bewegten Objekts abhängig. Je größer die Masse, die zu einer bestimmten Zeit in eine Reisedimension eintritt und ein bestimmtes Ziel ansteuert, desto ungenauer wird die Berechnung des Austrittspunktes im Normalraum. Würde eine gewaltige Flotte zeitgleich mit demselben Ziel eine Reisedimension durchqueren, wäre im schlimmsten Fall nicht einmal sicher, ob sie nicht statt im Raum zwischen den Planeten des angepeilten Zielsystems im Inneren von dessen Sonne herauskäme. Das bedeutet, dass stets nur eine begrenzte Anzahl feindlicher Einheiten zugleich in die Schlacht geschickt werden kann und die Größe und Masse der einzelnen Schiffe genau kalkuliert werden muss.

Zum anderen wird die Genauigkeit eines Übergangs von einer Reisedimension zurück in den Normalraum auch von der Masse der dortigen Objekte beeinflusst. Je näher ein Raumschiff eine Reisedimension bei einem massereichen Objekt verlässt, desto mehr wird sein Austrittspunkt verzerrt. Das heißt konkret, dass eine angreifende Armada feindlicher Schiffe, die im Orbit eines bewohnten Planeten herauskommen will, um innerhalb von Sekunden den Gegner auf der Oberfläche auszuschalten, von der Masse dieses Planeten beim Wiedereintritt in den Normalraum möglicherweise direkt in den Planetenkern umgelenkt wird. Blitzschnelle Überfälle auf feindliche Planeten werden dadurch unmöglich gemacht, und jede Flotte ist gezwungen, bereits in einer so großen Distanz zu anvisierten Planeten ihre Reisedimension wieder zu verlassen, dass dem Gegner genügend Zeit für eine Verteidigung bleibt.

Durch die Einführung dieser physikalischen Beschränkungen habe ich die Beschreibung der Raumschlachten in meiner Geschichte für mich selbst handhabbar und für den Leser, wie ich hoffe, plausibler gemacht. Dieses Problem zeigt einmal mehr, dass die Konzeption von Science-Fiction-Geschichten völlig andere Anforderungen stellt als die von Fantasy-Romanen, bei denen man sich als Autor vielleicht mit der Flugbahn von Pfeilen oder den anatomischen Möglichkeiten eines Ritters im Nahkampf beschäftigen muss, aber nicht mit den physikalischen Gesetzmäßigkeiten und Grenzen von interstellaren Reisen oder Weltraumschlachten. Von daher bin ich sehr gespannt auf die ersten Reaktionen meiner SF-gestählten Probeleser.

11.09.2014 um 18:03 von Susanne Gavénis
Kategorie: Gedankenspiele