INI_Logo_kleinGestern Abend habe ich mir den kernigen Wolverine im Fernsehen zu Gemüte geführt, der auf dem „Weg des Kriegers“ im alt ehrwürdigen Japan gewandelt ist. Unabhängig davon, dass ich mich dabei besser unterhalten habe als bei manchen anderen Superhelden-Filmen der letzten Jahre, finde ich es immer wieder witzig, was für gedankliche Verrenkungen sich Drehbuch-Autoren ausdenken müssen, um für eine annähernd unverwundbare – und damit auch unbesiegbare – Figur glaubwürdige Bedrohungen zu inszenieren, die eine halbwegs spannende Geschichte ergeben.
Wenn ein Protagonist wie der gute alte Wolverine selbst so krasse Dinge wie die Feuerwalze eines Atombomben-Abwurfs ganz gut wegsteckt, von Kugeln durchsiebt oder von Schwertern und Pfeilen durchbohrt werden kann, ohne danach mehr als ein „Aua, das tat weh!“ zum Besten zu geben, ist es nicht gerade einfach, die Zuschauer zu fesseln und sie um Wolverines Leben bangen zu lassen. Da muss man als Autor schon mal ein wenig tiefer in die dramaturgische Trickkiste greifen und dem Armen durch ein schräges biomechanisches Tentakelding, das sich an seinen Herzmuskel heftet, die Unverwundbarkeit rauben. Dass Wolverine im finalen Endkampf vom Bösewicht dreisterweise sogar seine stählernen Klauen abgehackt werden (welch Sakrileg!), passt ganz gut ins Bild und unterstreicht das Bemühen der Filmemacher, den Fokus auf eine tatsächliche Bedrohung des Protagonisten zu legen – was für mich auch genau der Grund war, warum ich die Geschichte insgesamt ganz nett fand.
Ich frage mich nur, warum die Erfinder solcher Figuren bei ihrer Konzeption nicht von vornherein kleinere Brötchen backen und sie nicht erst bei einer explodierenden Supernova genau vor ihrer Nase ein leichtes Gefühl von Unwohlsein verspüren lassen. Wenn ich da beispielsweise an Superman alias Clark Kent denke, der von seinen geistigen Schöpfern derart unverwundbar gemacht wurde, dass man schließlich solche hübschen Gimmicks wie grünes und rotes Kryptonit oder das weite Feld der Magie mitsamt allerlei mehr oder weniger eindrucksvoller Hexen und Zauberer einführen musste, um irgendwann auch mal andere Geschichten erzählen zu können als „Superman fällt ein Haus auf den Kopf, macht aber nichts, weil er es gar nicht spürt und währenddessen entspannt das kleine Kätzchen rettet“, dann weiß ich, dass es eine der wichtigsten Aufgaben für einen Autor ist, die Kräfte innerhalb seiner Geschichte gut auszubalancieren. Macht man den Helden zu stark und die Gegenkraft zu schwach, ist es langweilig, und die Leser fiebern nicht mit. Ist der Held dagegen ein kleines Würmchen, das gegen den Planeten fressenden Galaktus antreten muss, ist es schwierig, dem Leser oder Zuschauer plausibel zu machen, warum er am Ende doch gewinnt. Ein kluges Austarieren von Stärken und Schwächen auf beiden Seiten ist das, was am sichersten eine stabile Grundlage für eine spannende Geschichte bildet. So gesehen hat man aus dem Wolverine-Film unter diesen Voraussetzungen eigentlich das Beste gemacht, was möglich war.
26.05.2015 um 19:17 von Susanne Gavénis
Kategorie: Rund um Geschichten