INI_Logo_kleinNachdem ich das letzte Mal so auf dem neuen Roman von Clive Barker herumgehackt habe, möchte ich heute mal ein paar Worte zu einer Geschichte sagen, die mich rundum zufrieden gestimmt und auf eine sehr positive Weise überrascht hat. Die Rede ist von einem meiner Lieblingsbücher der letzten Jahre (eigentlich sind es sogar drei), und zwar von der „Ich bin kein Serienkiller“-Trilogie von Dan Wells.

Hier zeigt sich, dass man auch extreme Figuren auf eine Art beschreiben kann, die bei dem Leser Sympathie und Mitgefühl weckt, wenn nur der innere Konflikt des Protagonisten und sein Ringen damit plausibel genug geschildert werden. Die Hauptfigur, der 16jährige John Cleaver, bemerkt an sich selbst alle alarmierenden Anzeichen einer soziopathischen Persönlichkeitsstörung und versucht mit rigoroser Selbstreflektion und einem unerbittlichen Verhaltensplan, den er zusammen mit seinem Psychotherapeuten aufgestellt hat, diese soziopathischen Impule in Zaum zu halten.

Das gelingt so weit ganz gut, bis in der Kleinstadt, in der er lebt, die ersten Morde beginnen und schnell klar wird, dass ein Serienkiller am Werk ist. Mit seinem besonderen Gespür für diese Art des (gestörten) Denkens gelingt es John tatsächlich, den Täter aufzuspüren, und er versucht auf eigene Faust, ihn aufzuhalten – wobei immer deutlicher wird, dass ihm das nur gelingen kann, wenn er sein eigenes Monster von der Kette lässt (wie er es selbst nennt).

Dieser Balanceakt zwischen dem immer drohenden Sturz in den eigenen soziopathischen Abgrund und dem Festhalten an seinem persönlichen Moral- und Wertekodex macht für mich den Reiz und das Besondere dieser Bücher aus, und es ist bemerkenswert, wie es Dan Wells schafft, Johns Kampf mit seinen inneren Dämonen auf eine Weise darzustellen, dass mir der Protagonist trotz seiner entschieden grenzwertigen Persönlichkeit niemals unsympathisch war. Das liegt sicherlich daran, dass die Figur zu diesen destruktiven Anteilen ihrer Persönlichkeit klar Stellung bezieht und stets versucht, niemandem zu schaden. Einen krasseren inneren Konflikt als hier habe ich tatsächlich noch in keinem einzigen Roman gelesen, und es ist schön, dass der gute John im Laufe der drei Bände eine ganz eindeutige Entwicklung durchläuft und ich das Gefühl habe, dass der Autor sowohl seine Geschichte als auch seine Hauptfigur zu jedem Zeitpunkt vollkommen im Griff hatte.

Für meinen persönlichen Lesegeschmack kommt noch positiv hinzu, dass das Element des Übersinnlichen und Phantastischen in den Romanen zunehmend stärker wird. Die Serienkiller (d.h. der Antagonist aus dem ersten Band und seine Kumpel) entpuppen sich mehr und mehr als Wesen, die Fähigkeiten besitzen, die über das normale menschliche Maß deutlich hinausgehen – was einige Leser, die gewöhnliche Thriller erwartet haben, sehr enttäuscht und verärgert hat, für mich aber das Salz in der Suppe war, da dadurch für die Hauptfigur alles noch viel gefährlicher geworden ist und noch mehr auf dem Spiel stand. Wer also mal – in meinen Augen – richtig gute Geschichten lesen möchte, dem kann ich Dan Wells mit seinem potenziellen Serienkiller-Teenie John Cleaver nur wärmstens empfehlen.

24.02.2015 um 20:00 von Susanne Gavénis
Kategorie: Rund um Geschichten