INI_Logo_kleinIn manchen Geschichten scheint doch mehr zu stecken, als es auf den ersten Blick den Anschein hat – zumindest wenn man der Meinung einiger Wissenschaftler Glauben schenkt. Gerade habe ich in einem Buch geschmökert, in dem der Autor die Archetypen-Lehre C.G.Jungs am Beispiel des zweiten Batman-Films „Batmans Rückkehr“ zu veranschaulichen versucht. Demnach zeige sich in Batmans Auseinandersetzung mit Catwoman die polare Komplementarität von Animus und Anima, des männlichen und des weiblichen Archetypus, im Seelenleben eines jeden Menschen, während Oswald Cobblepot alias der Pinguin als Symbol für das misslingende Ringen des Selbst um Individuation interpretiert wird. Der Pinguin, der in den Abwasserkanälen Gothams haust (die in dieser Deutung ein Symbol für das grenzenlose und dunkle Unbewusste darstellen, aus dem jeder Mensch im Laufe seiner Entwicklung seine einzigartige Persönlichkeit formen muss), schafft es nicht, sich mit seinem Schatten – dem Archetypus aller abgelehnten und ungeliebten Seelenanteile – zu versöhnen, weshalb sein Versuch, an der Oberfläche Gothams ein eigenes Selbst zu entwickeln, scheitern muss. Der greisenhafte, deformierte und unentwickelte Kind-Archetypus Cobblepots kehrt am Ende des Films als Leiche – aufgebahrt und getragen von seiner Pinguinarmee – in die finsteren Wasser der Kanalisation zurück, denen er doch niemals wirklich entronnen war.
Die gleiche misslingende Integration des eigenen Schattens sieht der Autor auch in den Figuren von Batman und Catwoman, die beide nicht in der Lage sind, ihre auseinanderklaffenden Tag- und Nachtidentitäten zu vollständigen Persönlichkeiten zu verschmelzen, sondern in ihren jeweiligen abgespaltenen Traumatisierungen gefangen bleiben. Der Autor bringt noch andere Archetypen C.G.Jungs, z.B. die Mutter und Gott höchstselbst, mit den Figuren und der Handlung des Films in Verbindung, was auszuführen hier leider zu weit führen würde. Auch wenn ich durch meinen früheren Deutschunterricht in der Schule selbst nachhaltig traumatisiert worden bin (die Interpretation meines Deutschlehrers von „Homo Faber“ wird mir auf ewig unvergessen bleiben), finde ich eine solche Sicht auf scheinbar schlichte Geschichten dennoch erfrischend und originell – solange man es mit dem Interpretieren nicht übertreibt. Wie sagte doch mal ein Autor so schön? „Ich wusste gar nicht, wie klug ich bin, bis ich die Rezensionen meiner Romane gelesen habe.“ Da ist viel Wahres dran.

15.01.2015 um 20:00 von Susanne Gavénis
Kategorie: Rund um Geschichten